Leitsatz (amtlich)

Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die Besteuerung der Ertragsanteile (Erträge des Rentenrechts; § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG) von Bezügen aus Leibrenten, die Gegenleistung für den Erwerb eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens sind, mit ihrem vollen Nennbetrag - ohne Berücksichtigung eines Sparer-Freibetrags - ungeachtet dessen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz(Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist, dass es sich um pauschalierte Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt.

 

Sachverhalt

Die Kläger sind seit 1992 miteinander verheiratet und wurden in den Streitjahren 1997 und 1998 zusammen zur ESt veranlagt. Mit Vertrag vom 2.4.1990 hatte der Kläger sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück der Klägerin übertragen und erhielt als Gegenleistung eine lebenslängliche, wertgesicherte Rente von 4 000 DM monatlich. Seither bewohnen die Kläger das Einfamilienhaus gemeinsam. In einem als Arbeitszimmer eingerichteten Raum des Hauses übt die Klägerin ihre freiberufliche Tätigkeit aus. Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Kapitalvermögen (vor Abzug des Sparer-Freibetrags nach § 20 Abs. 4 EStG) von 7 290 DM (1997) und 6 837 DM (1998), die Klägerin solche von 733 DM (1997) und 3 170 DM (1998). Das Finanzamt besteuerte den Ertragsanteil der Rente (28% von 48000 DM = 13 440 DM) als Einkünfte des Klägers gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Der Barwert der Rente wurde antragsgemäß als Anschaffungskosten des Hauses behandelt. Der Ertragsanteil der Leibrente führte insoweit zu Betriebsausgaben der Klägerin, als er anteilig auf das Arbeitszimmer entfiel (21% von 13 440 DM = 2 822 DM). Der Antrag der Kläger, den darüber hinausgehenden Teil des Ertragsanteils (79% von 13440 DM = 10 617 DM) als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abzuziehen, lehnte das Finanzamt ab. Das FG gab den dagegen gerichteten Klagen statt[1]. Mit seinen Revisionen rügt das Finanzamt die Verletzung materiellen Rechts. Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des BVerfG über die im Leitsatz genannte Frage eingeholt.

 

Entscheidungsgründe

Die Vorlage ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG geboten, weil der Senat die durch § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG getroffene Regelung insoweit für verfassungswidrig hält, als die Ertragsanteile aus privaten Gegenleistungs-Leibrenten, obwohl diese materiell-rechtlich - pauschalierte - Einkünfte aus Kapitalvermögen sind, mit ihrem vollen Nennbetrag ohne Anwendung eines Sparer-Freibetrags der ESt unterliegen.

Private Zinsanteile abänderbarer wiederkehrender Leistungen sind beim Bezieher als Einkünfte aus Kapitalvermögen[2] steuerbar. Die Zinsen unterliegen im Umfang des Sparer-Freibetrags nicht der ESt. Handelt es sich um gleichbleibende wiederkehrende Leistungen (Leibrenten), sind sie in Form von Ertragsanteilen pauschaliert. Die Pauschalierung als solche ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: Sie dient der im Steuerrecht als Massenfallrecht gebotenen oder doch zumindest erlaubten Typisierung und Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens. Allerdings bewirkt die systematisch nicht gerechtfertigte Zuweisung zur siebten Einkunftsart[3], dass diese Einkünfte nicht mehr in den Anwendungsbereich des Sparer-Freibetrags fallen. Die Rechtsnatur des Ertragsanteils zwingt zu der Annahme, dass dem Kläger der für Einkünfte aus Kapitalvermögen geltende Sparer-Freibetrag des § 20 Abs. 4 EStG in dem für die "Übertragung" des Freibetrags zwischen Ehegatten maßgebenden Umfang von 3 977 DM im Streitjahr 1997 und 1 993 DM im Streitjahr 1998[4] zustehen würde, wenn dieser nicht bei der Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ausgeschlossen wäre bzw. wenn derartige Erträge entsprechend ihrer Rechtsnatur bei § 20 EStG erfasst würden. Die Verfassungsmäßigkeit einer nicht durch den Sparer-Freibetrag abgemilderten Besteuerung des Ertragsanteils unterstellt, müsste der Senat der Revision des Finanzamts auch insoweit stattgeben, als dieses den von der Klägerin bezogenen Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil) mit dem vollen Nennbetrag der ESt unterworfen und nicht - nach näherer Maßgabe des § 20 Abs. 4 Satz 4 EStG - unter Anwendung eines anteiligen Sparer-Freibetrags versteuert hat.

Dieses Ergebnis ist nach der Überzeugung des Senats nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Ungleichbehandlung des Ertragsanteils ist gegenüber den nach § 20 Abs. 1 und 2 EStG steuerbaren Kapitalerträgen, insbesondere den Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen[5] durch besondere sachliche Gründe nicht gerechtfertigt. Die durch die Abweichung vom Ordnungsprinzip der synthetischen ESt indizierte Ungleichbehandlung verstößt mangels hinreichender Rechtfertigungsgründe gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Der (nur) für die sechste Einkunftsart geltende Sparer-Freibetrag ist durch die Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen gerechtfertigt. Zu diesen Besonderheiten zählen insbesondere die G...

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