Leitsatz
- § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist dahin zu verstehen, dass die Personengesellschaft als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer Klage gegen den Feststellungsbescheid erheben kann.
- Hinsichtlich des Vorverfahrens i.S. des § 44 Abs. 1 FGO kann sich ein zum Einspruchsverfahren der Gesellschaft fehlerhaft nicht hinzugezogener Gesellschafter auf das Einspruchsverfahren der Gesellschaft berufen. Umgekehrt kann sich die fehlerhaft zum Einspruchsverfahren des Gesellschafters nicht hinzugezogene Gesellschaft auf das Einspruchsverfahren des nach § 352 AO einspruchsbefugten Gesellschafters berufen.
Sachverhalt
Eine GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH B ist, erzielte aus der Vercharterung von zwei Segelyachten in einem der Streitjahre einen geringen Gewinn, sonst aber Verluste, die das Finanzamt mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht erkannte. Es erließ dementsprechend negative Feststellungsbescheide, die jeweils an die GmbH und B als Beteiligte der KG ergingen und folgenden Vermerk enthielten: "Der Bescheid wird Ihnen nach § 183 Abs. 2 AO bekannt gegeben (Einzelbekanntgabe)." Gleichzeitig wurden die zuvor vorläufig ergangenen Gewerbesteuermessbescheide sowie die Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlusts durch Sammelbescheid an B für die KG gerichtet. Dagegen legte der frühere Bevollmächtigte Einsprüche für die GmbH und B ein, die nur in Bezug auf ein Streitjahr Erfolg hatten, im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen wurden. Die Einspruchsentscheidungen zur Gewinnfeststellung waren an die Komplementär-GmbH und an B als Gesellschafter der KG gerichtet, die Einspruchsentscheidungen zum Gewerbesteuermessbetrag und zur Feststellung des Gewerbeverlusts an die KG. Die dagegen erhobene Klage der KG wies das FG als unzulässig ab, weil nicht die KG, sondern nur die GmbH und B Einspruch gegen die Gewinnfeststellungsbescheide eingelegt hätten und auch hinsichtlich der Klage gegen die Gewerbesteuermessbeträge und vortragsfähigen Gewerbeverluste trotz einer Einspruchsentscheidung gegen die KG nur ein Einspruch von B vorliege. Dagegen richtet sich die Revision der KG.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH hat das FG die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Die hinsichtlich der Gewinnfeststellungsbescheide nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugte KG konnte trotz fehlenden eigenen Einspruchs Klage erheben, weil sie selbst fehlerhaft nicht zum Einspruchsverfahren ihrer Gesellschafter hinzugezogen worden war und deshalb gleichermaßen wie fehlerhaft nicht zum Einspruchsverfahren einer Personengesellschaft hinzugezogene Gesellschafter bei eigenem Klagerecht i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt ist. Die dafür erforderliche Einspruchsbefugnis der Gesellschafter lag im Streitfall vor, da die angefochtenen, belastenden (Gewinnfeststellungs-)Bescheide an die GmbH und B jeweils als Gesellschafter der KG bekannt gegeben worden waren. Auch für die Klage gegen die Gewerbesteuermessbescheide und Bescheide über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts fehlt es – so der BFH – nicht an der Klagebefugnis der KG und einem von ihr durchgeführten Vorverfahren; denn nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung war der ausdrücklich von B eingelegte Einspruch – auch wenn er von einem Rechtsanwalt verfasst worden war – schon deshalb als solcher der KG, vertreten durch B als Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, auszulegen, weil nicht B als Gesellschafter, sondern nur die KG Subjekt der Gewerbesteuer ist.
Praxishinweis
Hat die Finanzbehörde über einen vom Steuerpflichtigen nicht oder nicht fristgerecht eingelegten Einspruch sachlich entschieden, ist die gegen den bestandskräftigen Verwaltungsakt erhobene Klage nach ständiger Rechtsprechung des BFH zulässig, führt aber lediglich zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung. Denn an der wegen fehlenden Einspruchs eingetretenen Bestandskraft des angefochtenen Bescheids hat sich durch den Erlass einer ablehnenden Einspruchsentscheidung nichts geändert.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 27.5.2004, IV R 48/02