Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 StPO auf ein Schmerzensgeld
Leitsatz (amtlich)
Eine im Ermittlungsverfahren dem Täter gem. § 153a Abs. 1 StPO auferlegte und von diesem gezahlte Geldauflage ist nur dann auf ein Schmerzensgeld anzurechnen, wenn der Täter diese an den Verletzten als Schadenswiedergutmachung (§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO) zu entrichten hat.
Normenkette
StPO § 153a
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 31.08.2023; Aktenzeichen 4 O 265/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 31. August 2023 wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 2.063,19 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 25. Mai 2022 zu zahlen.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 700,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Mai 2022 zu zahlen.
Der Beklagte wird überdies verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 540,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 25. Mai 2022 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen hat der Kläger zu 63,7% und der Beklagte zu 36,3% zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und von der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 1, 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers erzielt in der Sache den aus den Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
1. Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 2.063,19 zu.
Der Beklagte hat das Eigentum des Klägers verletzt, indem er am 11. September 2021 vorsätzlich sowohl den Marke1 Modell1 des Klägers als auch den Marke2 Modell2 des Klägers ganz erheblich beschädigt und sich damit einer Sachbeschädigung (§ 303 StGB) in zwei Fällen schuldig gemacht hat.
Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass der Beklagte vor diesem Hintergrund dem Kläger den Ersatz der Kosten für die Reparatur der Windschutzscheibe des Marke1 Modell1 (EUR 870,08), der Fensterscheibe auf der Fahrerseite des Marke2 Modell2 (EUR 201,76) und der Abschleppkosten (EUR 196,35) schuldet.
Hinzu kommen noch Reinigungskosten in Höhe von EUR 12,00. Den ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Urteil des Landgerichts zu diesem Kostenposten ist der Kläger im zweiten Rechtszug nicht entgegengetreten. Auch der erkennende Einzelrichter des Senats legt diesen Betrag seiner Berechnung der Schadenshöhe zugrunde.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts schuldet der Beklagte dem Kläger auch dem Grunde nach eine Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 11. September 2021 bis zum 10. Januar 2022, also für 121 Tage.
Nach der Verkehrsauffassung und allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit - in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30.09.1963 - III ZR 137/62 -, BGHZ 40, 345, 349) - das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.1971 - VI ZR 52/70 -, BGHZ 56, 214, 215 f.; Urteil vom 10.06.2008 - VI ZR 248/07 -, NJW-RR 2008, 1198; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2024 - 26 U 39/22 -, NJW-RR 2024, 771, 772). Dass der Gebrauch eines Kraftfahrzeugs für den Benutzer daneben einen Gewinn an Bequemlichkeit bedeuten kann, steht bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise nicht im Vordergrund, weil Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen erfolgen, der in der Zeitersparnis liegt (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2008 - VI ZR 248/07 -, NJW-RR 2008, 1198 f.; Urteil vom 23.01.2018 - VI ZR 57/17 -, NJW 2018, 1393, 1394). Dient ein Kraftfahrzeug aber reinen Freizeitzwecken, so betrifft dieser Gesichtspunkt nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entzieht sich deshalb einer vermögensrechtlichen Bewertung (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2008 - VI ZR 248/07 -, NJW-RR 2008, 1198, 1999, in Bezug auf ein Wohnmobil).
Um sicherzustellen, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalierung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Schadensbetrachtung verhaftet bleibt, und...