Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der gerichtlichen Billigung einer Umgangsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Zustimmung eines Elternteils zu einem Umgangsvergleich handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Erklärung, die bis zur gerichtlichen Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz frei widerruflich ist. Folge des wirksamen Widerrufs ist, dass der Umgang grundsätzlich durch das Gericht zu regeln ist, § 1684 Abs. 3 S. 1 BGB (Rn. 17)
2. Das Einvernehmen des Verfahrensbeistands mit der Umgangsvereinbarung der Eltern ist Voraussetzung für die gerichtliche Billigung. (Rn. 18)
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 3 S. 1; FamFG § 69 Abs. 1 S. 2, § 156 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Beschluss vom 16.06.2023; Aktenzeichen 1 F 695/23) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 16.06.2023 (Az. 1 F 695/23) in Ziffer 5 (Billigung des Umgangsvergleichs) einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens findet nicht statt.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 4.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen einen in einem Umgangsverfahren erlassenen Billigungsbeschluss.
Die Antragstellerin (nachfolgend: Mutter) und der Antragsgegner (nachfolgend: Vater) haben am 01.09.2006 geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder E., geb. am ... und F., geb. am ..., hervorgegangen. Die Eltern leben seit dem 24.05.2023 voneinander getrennt. Beide Kinder sind nach der Trennung beim Vater geblieben.
Unter dem 30.05.2023 machte die Antragstellerin das hiesige Verfahren anhängig, um einen geregelten Umgang mit F. zu erwirken. Ihr Sohn werde vom Vater beeinflusst und negativ gegen sie eingenommen.
Das Amtsgericht hat für F. einen Verfahrensbeistand bestellt. F. wurde ebenso wie die übrigen Beteiligten am 16.06.2023 angehört. F. äußerte, seine Mutter nicht sehen zu wollen. Die Beteiligten schlossen im Termin am 16.06.2023 einen Vergleich, wonach sie die elterliche Sorge für F. weiterhin gemeinsam ausüben, wobei F. seinen Lebensmittelpunkt beim Vater haben soll (§ 1). Unter § 3 schlossen die Beteiligten die folgende Umgangsregelung:
"F. erhält die Gelegenheit, mindestens einmal wöchentlich persönliche Umgangskontakte mit seiner Mutter nach Schulschluss wahrzunehmen. Die Umgangskontakte sollen freitags stattfinden. Die Umgangskontakte finden zunächst nicht in der Wohnung der Kindesmutter statt und umfassen zunächst auch keine Übernachtung. Die Kindeseltern sagen zu, sich bei Übergaben des Kindes voneinander fernzuhalten. Die Übergaben sollen an der Schule des Kindes erfolgen."
Wegen der weiteren Einzelheiten der Anhörungen wird auf die Vermerke jeweils vom 16.06.2023 (I, AS 33 ff.) Bezug genommen.
Am Ende des Termins erließ das Amtsgericht einen Beschluss, in dem unter anderem der Vergleich zur Regelung des Umgangs gerichtlich gebilligt wurde.
Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 21.06.2023 zugestellt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde mit dem Antrag, eine dem Kindeswohl entsprechende Umgangsregelung festzulegen.
Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Mutter aus:
Die in § 3 getroffene Umgangsregelung entspreche nicht dem Kindeswohl. Die Regelung weise zudem keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aus. Die vorgesehenen Umgangskontakte seien aufgrund der Weigerung des Kindes bislang gescheitert. Hinter der Weigerung stehe der Vater, der das Kind massiv beeinflusse und gegen seine Mutter aufbringe. Sie werde im Haushalt des Vaters geradezu dämonisiert. Der Sohn werde täglich damit konfrontiert, dass er keinen Kontakt zu seiner Mutter haben soll, da diese die Beziehung zum Vater beendet habe. Dabei habe vorher zwischen ihr und ihrem Sohn eine ausgesprochen enge Bindung bestanden. Daher sei F. anfangs auch zuerst mit ihr ausgezogen, um noch am selben Tag vom Vater unter einem Vorwand wieder abgeholt zu werden. Seither sei es erst einmal zu einem Umgangskontakt gekommen. Der Vater sei bindungsintolerant, F. befinde sich in einem Loyalitätskonflikt.
Der Vater ist der Beschwerde entgegengetreten. Zur Begründung führt er aus: Die inhaltlichen Ausführungen der Mutter erschöpften sich in haltlosen Unterstellungen. Er setze F. nicht unter Druck. Beide Kinder würden sich derzeit ganz intrinsisch gegen wie auch immer geartete Kontakte mit der Mutter sträuben. Anfangs habe er noch versucht, die Kinder zu ermutigen. Mittlerweile habe er davon abgelassen. Er wolle beide Kinder nicht gegen ihre Willen zwingen, Kontakte zur Mutter zuzulassen. Mit ihrem prozessualen Verhalten erreiche die Mutter leider das Gegenteil.
Mit Verfügung vom 05.09.2023 hat der Senat auf seine Absicht, den Billigungsbeschluss auf die Beschwerde der Mutter hin aufzu...