Thomas Schlüter, Mirjam Luserke
Rz. 495
Die eG wird grundsätzlich nur durch alle Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten (§ 25 Abs. 1 Satz 1 GenG, Gesamtvertretung). Die Satzung kann aber von der Vertretung der eG durch alle Vorstandsmitglieder abweichen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 GenG). Die Satzung kann auch bestimmen, dass einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Genossenschaft befugt sind (§ 25 Abs. 2 Satz 1 GenG). Die Regelung zur Passivvertretung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 GenG gilt in diesen Fällen sinngemäß (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GenG).
Rz. 496
Die Mustersatzung (§ 22 Abs. 2 MS) sieht alternativ vor, dass die eG vertreten wird durch
- jedes Vorstandsmitglied allein (Einzelvertretung),
- ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem anderen Vorstandsmitglied (modifizierte Gesamtvertretung) oder
- ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen (unechte Gesamtvertretung).
Rz. 496a
Jede eG muss unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entscheiden, welche Regelung sie für ihre Satzung wählt. Die Regel ist die Vertretung der eG durch zwei Personen ("Vier-Augen-Prinzip").
Rz. 496b
Das Verbot des Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB gilt uneingeschränkt auch für Vorstandsmitglieder einer eG. Nach dieser Vorschrift kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen (Selbstkontrahieren, Alt. 1) oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen (Mehrfachvertretung, Alt. 2), es sei denn, dass dem Vertreter das Rechtsgeschäft gestattet ist oder es ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Ein Vorstandsmitglied darf somit grundsätzlich nicht als Vertreter der eG und im eigenen Namen oder als Vertreter einer Tochtergesellschaft der eG einen Vertrag abschließen. Die Notwendigkeit einer Mehrfachvertretung spielt vor allem in der Praxis eine Rolle, wenn ein Wohnungs- und Immobilienunternehmen (zum Beispiel eine Wohnungsgenossenschaft) Alleingesellschafterin (Muttergesellschaft) einer oder mehrerer Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH ist und im Fall eines Vertragsschlusses zwischen der Mutter- und der Tochtergesellschaft eine Personenidentität zwischen den Leitungsorganen beider Unternehmen besteht.
Rz. 497
Ob Vorstandsmitglieder vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit werden können (§ 181 BGB: "… soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist ..."), weil nach § 39 Abs. 1 GenG der Aufsichtsrat die eG gegenüber den Vorstandsmitgliedern vertritt, ist umstritten. Die Befreiung vom Verbot der Mehrfachvertretung, d. h. die Gestattung, kann durch Beschluss des Bestellungsorgans, d. h. der Generalversammlung oder, (wie im Regelfall) durch den Aufsichtsrat, und zwar im Einzelfall oder generell aufgrund ausdrücklicher Regelung in der Satzung erfolgen.
Rz. 498
Die Mustersatzung sieht die Möglichkeit vor, dass einzelne oder alle Vorstandsmitglieder durch Beschluss des Aufsichtsrats vom Verbot der Mehrfachvertretung nach § 181, zweiter Fall BGB, befreit werden können (§ 22 Abs. 2 Satz 2 MS).
Rz. 499
Das Genossenschaftsgesetz enthält zudem eine Regelung für die sog. Passivvertretung. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Genossenschaft abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied oder im Fall des § 24 Abs. 1 Satz 2 GenG (Führungslosigkeit) gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied (§ 25 Abs. 1 Satz 2 GenG).