Rz. 808

Es gibt weitere Fälle, in denen nach dem Genossenschaftsgesetz oder einer bestehenden Satzungsregelung eine "andere Person" bzw. ein anderes Organ zur Einberufung einer Generalversammlung befugt oder sogar verpflichtet ist. Dies kann wichtig sein, etwa um die Einberufung einer Generalversammlung auf diesem Weg auch gegen den Willen des anderen Organs oder bestimmter Personen erzwingen zu können. Es handelt sich um folgende Fälle:

  • Seitens des Genossenschaftsgesetzes ist das Recht zur Einberufung der Generalversammlung zwingend dann auf den Aufsichtsrat der eG und damit weg vom Vorstand verlagert, wenn die Einberufung der Generalversammlung "im Interesse" der eG "erforderlich" ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 GenG).
  • Umgekehrt ist seitens des Genossenschaftsgesetzes eine strenge Pflicht des Vorstands zur unverzüglichen Einberufung einer Generalversammlung und Information derselben gegeben, wenn sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder bei Annahme im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens ein Verlust ergibt, der durch die Hälfte des Gesamtbetrags der Geschäftsguthaben und die Rücklagen nicht gedeckt ist (§ 33 Abs. 3 GenG).
  • Ein weiterer Fall liegt vor, wenn es um die vorzeitige, jedoch nur vorläufige Abberufung eines Vorstandsmitglieds geht und das Recht zur vorzeitigen und auch endgültigen Abberufung nicht durch Satzungsregelung auf den Aufsichtsrat verlagert ist (§ 40 GenG). In diesem Fall hat der Aufsichtsrat die Generalversammlung "unverzüglich" einzuberufen, die dann über die vorzeitige und auch endgültige Abberufung des Vorstandsmitglieds zu beschließen hat.
  • Der zuständige genossenschaftliche Prüfungsverband, in welchem die eG ein zu prüfendes Mitglied ist[1], ist dann zur selbstständigen Einberufung auf Kosten der eG berechtigt, wenn er die Überzeugung gewinnt, dass die Beschlussfassung über den Prüfungsbericht ungebührlich verzögert wird oder die Generalversammlung bei der Beratung und Beschlussfassung nur "unzulänglich" über wesentliche Feststellungen oder Beanstandungen der Prüfung unterrichtet war (§ 60 Abs. 1 GenG). In diesem Fall führt eine vom Verband bestimmte Person den Vorsitz (§ 60 Abs. 2 GenG). Durch Satzungsregelung könnte dem Prüfungsverband ebenfalls ein Recht, selbst eine Generalversammlung einzuberufen, eingeräumt werden. Eine Satzungsregelung kann sich demgegenüber aber auch mit der Anordnung begnügen, dass außerordentliche Generalversammlungen immer auch dann "einzuberufen sind", wenn bestimmte, in der Satzung definierte Voraussetzungen erfüllt sind. So ist in der Mustersatzung für Wohnungsgenossenschaften bestimmt, dass außerordentliche Mitgliederversammlungen außer in den vom Genossenschaftsgesetz oder der Satzung ausdrücklich genannten Fällen dann einzuberufen sind, wenn dies im Interesse der eG erforderlich ist. Und dies sei besonders dann anzunehmen, wenn der Prüfungsverband die Einberufung zur "Besprechung des Prüfungsergebnisses" oder zur "Erörterung der Lage" der eG für "notwendig hält" (§ 32 Abs. 3 MS). Allerdings richtet sich dies an die gesetzlich oder satzungsmäßig zur Einberufung für zuständig erklärten Organe. Ein eigenes Einberufungsrecht des Prüfungsverbandes ist in dieser Satzungsformulierung nicht enthalten. Hier müsste der Prüfungsverband klären, ob die Voraussetzungen des § 60 GenG erfüllt sind.
  • Eine qualifizierte Minderheit in Form des zehnten Teils der Genossenschaftsmitglieder kann die Einberufung der Generalversammlung verlangen (§ 45 Abs. 3 GenG). Durch Satzungsregelung kann zur erforderlichen Qualifizierung des Quorums ein geringerer Teil, jedoch kein höherer (Erschwernis) festgelegt werden (bei Vertreterversammlungen bestehen jeweils Satzungsregelungen, wie etwa "der dritte Teil der Vertreter", § 33 Abs. 4 MS; aber auch bei Bestehen einer Vertreterversammlung bleibt es beim Minderheitenrecht der Mitglieder für die Einberufung einer Generalversammlung, ggf. etwa zur Abschaffung der Vertreterversammlung). Die Generalversammlung muss dann nach der weiteren gesetzlichen Aussage "unverzüglich" einberufen werden. "Unverzüglich" bedeutet nach allgemeiner zivilrechtlicher Lesart in etwa: "ohne schuldhaftes Zögern". Die beiden Einladungsfristen für die Veranstaltung und die Tagesordnung (§ 46 GenG) müssen eingehalten werden. Die Minderheit muss allerdings den Zweck und die Gründe für die Einberufung in Textform angeben. Der gewünschte Gegenstand muss zum Zuständigkeitsbereich der Generalversammlung gehören. Die Genossenschaftsmitglieder können somit nicht über diesen Weg in die Zuständigkeit des Vorstands oder Aufsichtsrats eingreifen. "Textform" bedeutet, dass die Eingabe von den betreffenden Personen nicht eigenhändig unterzeichnet sein muss (§ 126b BGB). Vielmehr genügt es, dass die Erklärung auf Papier, Fax oder E-Mail lesbar ist, deren Abschluss erkenntlich wird und die Personen, die sich die Erklärung zurechnen lassen wollen, mit Namen identifizierbar sind. Bei unberechtigter Verweigerung einer Einberufung durch das satzungsmäßig zuständige Organ...

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