Rz. 821

Die Form der Einladung zur Generalversammlung wird vom Genossenschaftsgesetz streng geregelt. So muss die Berufung der Generalversammlung entweder durch "unmittelbare Benachrichtigung" sämtlicher Genossenschaftsmitglieder oder durch "Bekanntmachung in einem öffentlichen Blatt" erfolgen (§ 6 Nr. 4 GenG). Unter "öffentlichem Blatt" wird jedes allgemein zugängliche Publikationsorgan verstanden, so z. B. die örtliche Tageszeitung, Magazine usw. Die Bekanntmachung im Bundesanzeiger genügt hierfür nach ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes in § 6 Nr. 4 GenG jedoch nicht. Auch muss das Blatt öffentlich zugänglich sein, sodass eine Mitgliederzeitschrift ebenfalls nicht genügt.[1]

 

Rz. 822

Eine Einladung über Bekanntmachung im Internet wird zu Recht auch heute noch weithin abgelehnt.[2] Die Vorschrift des § 6 Nr. 4 GenG war bislang als abschließend verstanden worden, da im Wortlaut klar. Weder liegt bei einer Internetbekanntmachung ein "öffentliches Blatt" vor, noch kann dieser Weg als "unmittelbar" angesehen werden. Es steht – faktisch gesehen – auch heute noch nicht fest, dass wirklich jedes Genossenschaftsmitglied über einen privaten Internetanschluss verfügt.

Deshalb ist auch im Rahmen der Genossenschaftsnovelle im Jahr 2017 durch das "Transparenz- und Bürokratieabbaugesetz" in § 6 Nr. 4 GenG ausdrücklich festgeschrieben worden, dass eine Bekanntmachung der Einberufung der Generalversammlungen durch ein "anderes öffentlich zugängliches elektronisches Informationsmedium" nicht genüge. Diese Regelung wird als zwingend verstanden und kann nicht durch eine anderweitige, satzungsmäßige Definition im Sinne des § 6 Nr. 5 GenG ausgehebelt werden, wo es heißt, dass die Satzung "öffentlich zugängliche elektronische Informationsmedien" als "öffentliches Blatt" bezeichnen könne. Das Zusammenspiel der beiden Vorschriften Nr. 4 und Nr. 5 ist vom Gesetzgeber handwerklich daher sehr schlecht gestrickt worden.

 

Rz. 823

Die eG muss sich entscheiden, welche der beiden Einladungsformen sie wählt und in ihrer Satzung festschreibt. Sie kann auch beide Formen parallel vorschreiben, muss sich aber dann später bei ihren Einladungen daran halten, d. h. beide gleichzeitig praktizieren. Der eG ist nach der hier vertretenen Ansicht – trotz rechtlicher Zulässigkeit – jedoch eher nicht dazu zu raten, dass sie beide Einberufungsalternativen in die Satzung aufnimmt[3] und die Wahl des Einberufungsweges durch unmittelbare Mitteilung oder öffentliche Bekanntmachung – durch entsprechende Satzungsregelung – jedoch dem einladenden Organ im Einzelfall überlässt.

 

Rz. 824

Eine Wahlfreiheit des einladenden Organs wird in der Fachliteratur zwar überwiegend für zulässig gehalten[4], da die Empfänger der Einladungen dann wissen können, dass sie in ein bestimmtes Blatt sehen müssen, falls sie keine schriftliche Einladung erhalten haben. Jedoch bestehen auch hier mögliche Unsicherheiten bei der Kenntnisnahme oder andere Quellen für Verwerfungen, etwa wenn der Einladende die Personen, die er in der Versammlung dabeihaben will, auch noch persönlich einlädt, andere jedoch nicht – in der Hoffnung, dass diese die öffentliche Bekanntmachung übersehen.[5] Für rechtlich bedenklich wird es zu Recht gehalten, wenn die Satzung mehrere öffentliche Blätter vorsieht, und die Auswahl unter diesen dem Vorstand im Einzelfall überlässt.[6]

 

Rz. 825

Hat eine eG in ihrer Satzung den Weg der öffentlichen Bekanntmachung festgelegt, dann ist es problematisch, falls sie daneben einzelne Mitglieder zusätzlich durch Mitteilung einlädt. Dieser zweite Weg hat dann keine unmittelbare rechtliche Wirkung, da dieser Einladungsweg nicht satzungskonform ist. Vielleicht ließe sich seitens der eG mit Treu und Glauben argumentieren, da die Kenntnis von der Versammlung immerhin gegeben war, wenn auch nicht auf streng juristischem Weg.

 

Rz. 826

Eine andere Einladungsform als die beiden in § 6 Nr. 4 GenG vorgesehenen ist nicht möglich. Eine Satzungsregelung, die hier Abweichendes festschreiben würde, wäre wegen Verstoßes gegen das Genossenschaftsgesetz nichtig. Nur das Gericht kann nach der gesetzlichen Regelung hier Ausnahmen zulassen.

 

Rz. 827

Ist die Einladung in der Satzung durch "schriftliche" Mitteilung vorgesehen, so darf dies als "Textform" interpretiert werden, da eine solche Satzungsregelung regelmäßig als Ordnungsvorschrift dergestalt anzusehen ist, dass die Einladung in Briefform ergehen soll. Das Genossenschaftsgesetz schreibt nur die "unmittelbare" Benachrichtigung vor, nicht jedoch die "schriftliche", sodass ein Verstoß gegen das Genossenschaftsgesetz nicht vorläge. Die Einladungen müssen vom Einladenden dann auch nicht persönlich unterzeichnet werden. Die Satzung könnte für die Einladung auch gleich die Textform anordnen.[7]

Zu "Bekanntmachungen" (§ 43 GenG)

§ 43 MS-2022 regelt die Bekanntmachungen der Genossenschaft. Im Genossenschaftsgesetz wird in § 6 Nr. 5 angeordnet, dass die Satzung Bestimmungen enthalten muss über die Form der Bekanntmachungen der Genossenschaft sowie Bestimmung de...

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