Thomas Schlüter, Mirjam Luserke
1 Vorstand
1.1 Der Vorstand als Organ der Genossenschaft
Rz. 403
Der Vorstand ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Organ der Genossenschaft. Jede Genossenschaft muss daher einen Vorstand haben (§ 9 Abs. 1 Satz 1 GenG); ein Verzicht aufgrund einer Satzungsregelung ist deshalb – im Gegensatz zu einem Verzicht auf einen Aufsichtsrat bei sog. Kleinstgenossenschaften (§ 9 Abs. 1 Satz 2 GenG) – nicht möglich.
Rz. 404
Die Aufgaben des Vorstands können auch nicht durch eine Satzungsregelung – und zwar weder ganz noch teilweise – auf andere Organe übertragen werden. Abweichungen von den Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes durch die Satzung sind nämlich nur insoweit möglich, als dies das Gesetz ausdrücklich zulässt (§ 18 Satz 2 GenG). So hat nach dem Genossenschaftsgesetz der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten (Leitungsbefugnis, § 27 Abs. 1 Satz 1 GenG). Das Gesetz lässt in diesem Zusammenhang aber zu, dass die Satzung Beschränkungen der Leitungsbefugnis vorsieht (Zustimmungsvorbehalte), die der Vorstand zu beachten hat (§ 27 Abs. 1 Satz 2 GenG). Die Mustersatzung enthält solche Zustimmungsvorbehalte ("Gegenstände der gemeinsamen Beratungen von Vorstand und Aufsichtsrat", § 28 MS).
Rz. 404a
Nach der Reform des Genossenschaftsrechts im Jahr 2017 kann die Satzung bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern vorsehen, dass der Vorstand an Weisungen der Generalversammlung gebunden ist (§ 27 Abs. 1 Satz 3 GenG). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs kann sich eine solche Satzungsregelung insbesondere für Genossenschaften mit geringer Mitgliederzahl anbieten, bei denen die Mitglieder gleichberechtigt agieren wollen und sich der Vorstand im Wesentlichen nur als Vertreter nach außen versteht. Weiter wird in der Gesetzesbegründung dazu ausgeführt, dass auch Genossenschaften, die künftig alternierend der vereinfachten Prüfung unterfallen, prüfen könnten, ob eine solche Satzungsregelung als Ausgleich dazu, dass die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nur noch eingeschränkt vom Prüfungsverband geprüft wird, sinnvoll wäre; dabei sollten aber auch mögliche Nachteile wie etwa eine Verlangsamung von Geschäftsführungsentscheidungen in die Überlegungen einbezogen werden.
Rz. 405
Die Stärkung der Stellung des Vorstands gegenüber den übrigen Organen der Genossenschaft erfolgte bereits durch die Reform des Genossenschaftsrechts im Jahr 1973 (Genossenschaftsnovelle 1973). Deren Ziel war u. a., die Chancengleichheit der Genossenschaft im Wettbewerb mit den anderen Rechtsformen, insbesondere der Aktiengesellschaft, zu gewährleisten. Darum entspricht die Leitungsverantwortung des Vorstands der eG nach § 27 Abs. 1 Satz 1 GenG der Leitungsverantwortung des Vorstands der AG (§ 76 Abs. 1 AktG).
1.2 Anzahl der Vorstandsmitglieder
Rz. 406
Das Genossenschaftsgesetz schreibt vor, dass eine Genossenschaft mindestens zwei Vorstandsmitglieder haben muss (§ 24 Abs. 2 Satz 1 GenG). Eine Ausnahme besteht nur bei Genossenschaften, die nicht mehr als 20 Mitglieder haben (Kleinstgenossenschaften). In diesem Fall kann in der Satzung geregelt werden, dass der Vorstand nur aus einer Person besteht (§ 24 Abs. 2 Satz 3 GenG). Die Möglichkeit, hier vom zwingenden Vier-Augen-Prinzip bei der Besetzung des Vorstands abweichen zu dürfen, wurde durch die Genossenschaftsreform 2006 eingeführt, um u. a. dadurch die Zugangsvoraussetzungen zur Rechtsform der Genossenschaft für kleinere Unternehmen zu erleichtern und deren Neugründungen zu fördern.
Rz. 407
Das Gesetz lässt darüber hinaus ausdrücklich zu, dass die Satzung eine höhere Zahl als die gesetzliche Mindestzahl von zwei Vorstandsmitgliedern bestimmt (§ 24 Abs. 2 Satz 2 GenG). Hierfür kommen mehrere Alternativen in Betracht:
- Die Satzung kann eine feste höhere Zahl als die gesetzliche Mindestzahl vorschreiben ("Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern.").
- In der Satzung wird eine flexible höhere Mindestzahl bestimmt ("Der Vorstand besteht mindestens aus drei Mitgliedern.").
- Die Satzung enthält eine Kombination von Mindest- und Höchstzahl ("Der Vorstand besteht aus mindestens zwei und höchstens vier Mitgliedern.")
Rz. 408
Die Mustersatzung empfiehlt eine flexible Mindestzahl, überlässt dabei aber der Genossenschaft aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls die Festlegung der konkreten Mindestzahl ("Der Vorstand besteht aus mindestens ____ Personen", § 21 Abs. 1 Satz 1 MS).
1.3 Anforderungen an die Vorstandsmitglieder
1.3.1 Gesetzliche Anforderungen
1.3.1.1 Überblick
Rz. 409
Als Vorstandsmitglieder kommen nur natürliche und unbeschränkt geschäftsfähige Personen in Betracht. Darüber hinaus dürfen sie während ihrer Vorstandstätigkeit bestimmte andere Ämter nicht ausüben. Außerdem müssen sie – von wenigen Ausnahmen abgesehen – für die ...