Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vorgelegt:
Darf der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes ein Grundstück, das er bisher für Umsätze verwendet hat, die der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger (Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG) unterliegen, einer nach der normalen Mehrwertsteuerregelung steuerpflichtigen Tätigkeit durch Verpachtung zuordnen und die Vorsteuer für einen auf dem Grundstück errichteten Hähnchenmaststall abziehen?
Sachverhalt
Ein Landwirt unterlag im Streitjahr 1997 mit seinem Betrieb der Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 UStG. Er errichtete 1997 auf einem im Dezember 1996 – laut FG – in das "Privatvermögen" entnommenen Grundstück einen Hähnchenmaststall und überließ diesen durch "Pachtvertrag" vom 1.10.1997 für zunächst fünf Jahre seiner Ehefrau, die ebenfalls einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftete. Die Eigennutzung des Stalls durch den Kläger hätte zur Überschreitung der landwirtschaftlichen Tierhaltungsgrenzen geführt.
Der Kläger verzichtete auf die Steuerbefreiung der Umsätze nach § 9 UStG. Für 1997 machte er 46902 DM Vorsteuer aus Rechnungen über die Herstellung des Stalls geltend. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für 1997 auf 0 DM fest, weil die Verpachtungsumsätze der Durchschnittsatzbesteuerung unterlägen und ein weiterer als der pauschalierte Vorsteuerabzug nicht in Betracht komme. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die obige Frage zur Auslegung der 6. RL vor. Es bestehen Zweifel, wie der Fall nach Art. 25 der 6. RL zu beurteilen ist, auf dem § 24 UStG"beruht". Zwar hat ein Steuerpflichtiger die Wahl, ob und in welchem Umfang ein Gegenstand, den er unternehmerisch und privat verwendet, zu seinem Unternehmen gehören soll oder nicht. Es ist aber fraglich, ob der Unternehmer einen Gegenstand, der im Ergebnis landwirtschaftlicher Erzeugertätigkeit oder Dienstleistung dient, seinem der Pauschalregelung unterliegenden Unternehmensteil oder seinem der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmensteil zuordnen darf oder muss. Soweit der Gegenstand einem regelbesteuerten Unternehmensteil zugeordnet werden darf, ist ein Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen auf den Gegenstand zugelassen, während die Ausgangsumsätze der regelmäßigen Besteuerung unterlägen.
Die Zuordnungsfrage hängt gegebenenfalls davon ab, ob die Verpachtung des Stalls ein unter die Pauschalregelung des Art. 25 der 6. RL fallender Umsatz ist. Denn dann kann der Steuerpflichtige die Bauleistungen nicht einer regelbesteuerten wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen und keinen Vorsteuerabzug vornehmen. Als "landwirtschaftliche Dienstleistungen" i.S. des Art. 25 der 6. RL bezeichnet Anhang B "Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere ... Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken". Ob dieser Tatbestand erfüllt ist, erscheint zweifelhaft, da die verpachteten Gegenstände ab der Verpachtung nicht mehr der landwirtschaftlichen Produktion des Verpächters selbst, wohl aber der seiner Ehefrau dienten. Außerdem bestehen solche Zweifel, weil in Anhang B – im Gegensatz zu Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. RL – nur von "Vermietung", nicht aber von "Verpachtung" die Rede ist. Die Beteiligten gehen im Streitfall von einer Verpachtung aus.
Praxishinweis
Der Fall ist für Landwirte mit Interesse am Vorsteuerabzug aus Investitionen von Bedeutung. Die Frage, ob die "Verpachtung" von Grundstücken des landwirtschaftlichen Betriebs zu der als landwirtschaftliche Dienstleistung bezeichneten "Vermietung" von Betriebsmitteln gehört, dürfte bereits demnächst im noch anhängigen EuGH-Verfahren C-321/02 (Harbs) zumindest teilweise beantwortet werden. Verneint man sie – so der Schlussantrag des Generalanwalts –, dann spricht dies für einen Umsatz mit Regelbesteuerung. Auch die Frage, ob neben einem Unternehmensteil mit Pauschalbesteuerung ein Unternehmensteil mit Regelbesteuerung in Betracht kommt, dürfte im genannten EuGH-Verfahren bereits angesprochen werden.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 22.1.2004, V R 60/01