Leitsatz

  1. Bekundet jemand einem anderen gegenüber seine Bereitschaft, mit seinen persönlichen Beziehungen bei einer geschäftlichen Transaktion behilflich zu sein und erhält er dafür eine Provision, so ist dieses Verhalten nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
  2. Auf eine Ermittlungspflichtverletzung des Finanzamts kann sich gegenüber einer Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht berufen, wer den Sachverhalt ganz bewusst falsch darlegt und bei dem Finanzamt daher einen Irrtum über einen tatsächlichen Geschehensablauf hervorruft.
 

Sachverhalt

A bezog im 1992 als Geschäftsführerin einer GmbH u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Juli 1992 stellte sie der X Lebensversicherungs-AG (X) für ihre "Bemühungen im Zusammenhang mit Projekt … vereinbarungsgemäß" 5 Mio. DM in Rechnung und erhielt diesen Betrag. X wollte nämlich ein bestimmtes Grundstück erwerben. Hiervon erfuhr A durch den mit ihr eng befreundeten Rechtsberater der Versicherung R. Sie wiederum teilte R mit, eine Jugendfreundin des Vorstandsvorsitzenden der Grundstückseigentümerin zu sein. Diese Tatsache teilte R der mit dem Grundstückserwerb beauftragten Unternehmensberatung U mit und zwar mit der Bemerkung, dass A möglicherweise für den beabsichtigten Grundstückserwerb nützlich sein könne. X, hierüber durch U informiert, sagte A ein "Betreuungshonorar" von 5 % "im Erfolgsfalle" zu. Der Provisionssatz wurde letztlich auf 5 Mio. DM festgeschrieben. X erwarb das Grundstück. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte A keine Einkünfte aus Leistungen; das Formular enthielt jedoch im Fragebereich nach Einkünften aus sonstigen Leistungen den Hinweis "(X entf.)". In ihrer Vermögensteuererklärung zum 1.1.1993 wies A "Festgeld (X)" in Höhe von 5 038 541 DM aus. Auf die Aufforderung des Finanzamts, die Steigerung ihrer Zinseinnahmen zu erklären, legte A dar, im Zusammenhang mit X sei es "1992 zu einem Vermögensanfall gekommen, der die erklärten Zinsen bei der Wiederanlage auslöste". Das Finanzamt veranlagte A zunächst erklärungsgemäß; der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig. Erst später erfuhr das Finanzamt von den Umständen, die sich hinter dem "Vermögensanfall" verbargen und änderte nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung den Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem es die von der Klägerin vereinnahmte Provision der Einkommensteuer unterwarf. Klage und Revision blieben erfolglos.

 

Entscheidung

A erfüllt den Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG schon deshalb, weil ihr Verhalten Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags war. Sie hat bereits durch ihre Bereitschaft, mit ihren persönlichen Beziehungen für den Grundstückserwerb nützlich zu sein, eine Leistung erbracht. Ob sie überdies bei X den Eindruck erweckt hat, diese könne eine vermittlungsähnliche Leistung von ihr erwarten, ist ohne Bedeutung. Deshalb musste der BFH nicht entscheiden, ob schon das "Eindruck erwecken" als solches eine Leistung bildet, die mit einem Gebaren verglichen werden kann, das mit Schmier- oder Bestechungsgeldern entgolten wird. Die Leistung ist A auch zuzurechnen. Ihr liegt ein willensgetragenes und zielgerichtetes Verhalten zugrunde. Sie selbst hat die Informationen übermittelt und war damit einverstanden, dass X dadurch die Möglichkeit erhielt, die Kenntnisse in den Vertragsverhandlungen mit der Grundstückseigentümerin "nutzbar zu machen". Dieser Zusammenhang von Leistung und ausbedungener Provision markiert den Unterschied zur bloßen Teilnahme an einem Glücksspiel, die lediglich die "Chance" vermittelt, bei dem Spiel auch zu gewinnen.

Das Finanzamt war auch berechtigt, den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Es war hieran nicht durch Treu und Glauben gehindert. A hat nämlich über die Darstellung des Sachverhalts als "Vermögensanfall" hinausgehend – fälschlicherweise – von einer "Wiederanlage" gesprochen. Diese Aussage konnte bei dem Finanzamt den Irrtum hervorrufen, der Betrag sei bereits angelegt gewesen, z.B. als Lebensversicherung.

 

Praxishinweis

Wie in schlechten Romanen! An diesen Titel eines Werkes von Heinrich Böll wird man erinnert, wenn man den Sachverhalt liest. In der Tat liegt in dieser Sachverhaltskonstellation auch die praktische Bedeutung der Entscheidung. Denn sog. Beratungsleistungen kommen im Wirtschaftsleben zunehmend vor und häufig verbergen sich dahinter Leistungen, wie sie A hier im Fall der Versicherung schuldete. Kommerzialisiert jemand indes seine privaten Beziehungen, so unterwirft er sich dem Geschehen des Markts. Dem folgt das Steuerrecht und erfasst das Markteinkommen nach den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 20.4.2004, IX R 39/01

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