Leitsätze (amtlich)
- Ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille ist regelmäßig auch dann anzunehmen, wenn die einzigen Gesellschafter des Besitz- und des Betriebsunternehmens in der Weise an beiden Unternehmen beteiligt sind, dass der eine Gesellschafter über die Mehrheit der Anteile am Besitzunternehmen verfügt, der andere dagegen über die Mehrheit der Anteile am Betriebsunternehmen.
- Der Beschluss des BVerfG vom 7.11.1995, 2 BvR 802/90 (BStBl II 1996, S. 34 = INF 1996, S. 63) berührt die Grundsätze betreffend die personelle Verflechtung von Besitz- und Betriebsunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung nicht.
Sachverhalt
Gesellschafter der durch Vertrag vom 6.3.1990 gegründeten Klägerin, einer GbR, waren die Eheleute M und F. M war zu 40 %, F zu 60 % am Vermögen der GbR beteiligt. Das Stimmrecht entsprach der Vermögensbeteiligung. Geschäftsführerin war F. Die Klägerin verpachtete ihr mit einer Halle bebautes Grundstück durch Vertrag vom 28.3.1990 für zehn Jahre an die M-GmbH. An der GmbH waren in den Streitjahren (1990 und 1991) M zu 60 % und F zu 40% beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH war M. Die Klägerin erklärte aus der Vermietung des Grundstücks an die GmbH Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzamt nahm dagegen eine Betriebsaufspaltung und damit gewerbliche Einkünfte an. Klage und Revision der Klägerin blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Vermietung von Wirtschaftsgütern wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann als eine über die reine Vermögensverwaltung hinausgehende gewerbliche Tätigkeit angesehen, wenn das vermietende Unternehmen (Besitzunternehmen) mit dem mietenden Unternehmen (Betriebsunternehmen) sachlich und personell verflochten ist (Betriebsaufspaltung). Eine sachliche Verflechtung ist im Streitfall gegeben. Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dieser Wille tritt am klarsten hervor, wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind (sog. Beteiligungsidentität). Es genügt aber, dass die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, im Betriebsunternehmen ihren Willen durchzusetzen (sog. Beherrschungsidentität).
Der Streitfall weist die Besonderheit auf, dass die Gesellschafter der Klägerin sich zwar nicht gegen andere Gesellschafter durchsetzen müssen, aber auch nicht zu gleichen Teilen an ihr beteiligt sind. Vielmehr verfügt jeder von ihnen (nur) an einem der beiden Unternehmen über die Mehrheit der Anteile. Der Senat ist der Auffassung, dass auch bei dieser Gestaltung regelmäßig ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille der beteiligten Personen und damit eine personelle Verflechtung beider Unternehmen gegeben ist. Selbst bei Beteiligungsidentität sind unterschiedliche Auffassungen und Meinungsverschiedenheiten bei beiden Unternehmen im Einzelfall durchaus denkbar. Wenn dennoch nur nachgewiesene Interessengegensätze geeignet sind, die aus den Beteiligungsverhältnissen folgende Vermutung gleichgerichteter Interessen zu erschüttern, so hat dies seinen Grund darin, dass die Beteiligungsverhältnisse im Regelfall Ausdruck eines nicht nur zufälligen Zusammenkommens der an beiden Unternehmen beteiligten Personen sind, sondern diese sich zur Verfolgung eines bestimmten wirtschaftlichen Zwecks auch beim Besitzunternehmen zusammengeschlossen haben, ihr Handeln also durch gleichgerichtete Interessen bestimmt wird. Dies zeigt sich gerade im Streitfall dadurch, dass die Gesellschafter der Klägerin am selben Tag den GbR-Gesellschaftsvertrag abgeschlossen und das die wesentliche Grundlage für den Betrieb der GmbH bildende Grundstück erworben haben. Zu diesem Zeitpunkt waren sie auch bereits alleinige Gesellschafter der GmbH, die das Grundstück drei Wochen später von der Klägerin pachtete. Hinzu kommt, dass während des Bestehens der Doppelgesellschaft für diese Personen die wirtschaftliche Notwendigkeit der von ihnen geschaffenen Unternehmensform ein gemeinsames Handeln gebietet, weil nicht zu vereinbarende Entscheidungen bei Besitz- und Betriebsunternehmen praktisch das Ende der Doppelgesellschaft bedeuten würde. Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall, die innerhalb jeder Gesellschaftsform und auch bei völliger Identität der Beteiligten und ihrer Beteiligungen auftreten können, ändern nichts an der Tatsache, dass die an beiden Unternehmen beteiligten Personen durch ihre gleichgerichteten Interessen schon der Natur der Sache nach eine geschlossene Personengruppe und damit eine Einheit darstellen, deren einheitliches Handeln wirtschaftlich gesehen keines Nachweises bedarf. Diese Grundsätze gelten nicht nur bei Beteiligungsidentität, sondern auch bei unterschiedlicher Beteiligung ausschließlich derselben Personen am Besitz- und am Betriebsunternehmen. Ob etwas anderes ausnahmsweise dann anzunehmen ist, wenn die Beteiligungsverhältnisse extrem unterschiedlich sin...