1 Leitsätze
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts am dritten Ort zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur dann ausnahmsweise notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann. Unter der Voraussetzung sind auch entstandene Fahrtkosten des auswärtigen Rechtsanwalts der obsiegenden Partei zum Verhandlungstermin gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO von der unterlegenen Partei zu erstatten.
- Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn von einer Wohnungsbaugenossenschaft zur Verteidigung gegen eine Feststellungsklage aus dem Bereich des Genossenschaftsrechts ein spezialisierter auswärtiger Rechtsanwalt beauftragt wird und dem Gericht in seinem Bereich kein Rechtsanwalt mit einer entsprechenden Spezialisierung bekannt ist.
- Die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts erscheint vor allem vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass das Urteil für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle eine mögliche Signalwirkung hat.
- Der Grundsatz der Waffengleichheit aufgrund der Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Klägerin steht der Erstattung der Reisekosten nicht entgegen.
2 Sachverhalt
Die Beklagte des Rechtsstreits war eine Wohnungsbaugenossenschaft. Die Klägerin war Mitglied der Beklagten und aufgrund eines Dauernutzungsvertrags aus dem Jahr 1987 Nutzerin einer Genossenschaftswohnung der Beklagten. Die Parteien hatten einen Rechtsstreit über die Pflicht zur Übernahme eines 2. Geschäftsanteils geführt. Das Landgericht (LG) Arnsberg hatte in zweiter Instanz rechtskräftig entschieden, dass die Wohnungsbaugenossenschaft einen Anspruch auf Abgabe der zweiten Beteiligungserklärung sowie Einzahlung eines weiteren Geschäftsanteils auf der Grundlage der geänderten Satzung hat.
Da die Klägerin nach der Entscheidung des LG Arnsberg die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hatte, beantragte die Wohnungsbaugenossenschaft beim Amtsgericht (AG) Arnsberg die Festsetzung der ihr entstandenen Kosten für beide Instanzen gemäß § 104 ZPO (Kostenfestsetzungsverfahren). Der Prozessbevollmächtigte der Wohnungsbaugenossenschaft für beide Instanzen beantragte dabei auch die Erstattung der ihm entstandenen Reisekosten für die Verhandlungstermine beim AG Arnsberg und beim LG Arnsberg in Höhe von insgesamt 68,26 EUR.
Die zuständige Rechtspflegerin des AG Arnsberg lehnte mit Kostenfestsetzungsbeschluss die Erstattung der Reisekosten ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts nicht wohnt, nur insoweit erstattungsfähig sind, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
Der Prozessbevollmächtigte der Wohnungsbaugenossenschaft hatte im Kostenfestsetzungsverfahren argumentiert, dass ein Ausnahmefall der notwendigen Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts insbesondere dann vorliegt, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann. Seine Beauftragung sei notwendig gewesen, da ein Schwerpunkt des Prozessbevollmächtigten der Beklagten das Genossenschaftsrecht ist, das Gegenstand des vorliegenden Falls war.
Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage betraf die Frage, ob die von der Wohnungsbaugenossenschaft geltend gemachten Ansprüche aufgrund der Besonderheiten des Rechts der Wohnungsgenossenschaften verjährt waren. Der Ausgang des Verfahrens hatte zudem Bedeutung für eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen mit anderen Mitgliedern der Beklagten. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war bereits seit seiner früheren Tätigkeit als Justiziar eines genossenschaftlichen Prüfungsverbands mit den Besonderheiten dieses Rechtsgebiets – auch im Rahmen von Veröffentlichungen und seiner Seminar- und Vortragstätigkeit – befasst.
Weiterhin wies der Prozessbevollmächtigte der Wohnungsbaugenossenschaft darauf hin, dass am Sitz der Beklagten nach deren Einschätzung aufgrund der Besonderheiten des Falls keine vergleichbaren ortsansässigen Rechtsanwälte mit der Spezialisierung u. a. auf das Genossenschaftsrecht zur Verfügung standen. Die Beklagte hatte sich daher entschlossen, den auswärtigen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten zu beauftragen.
Die Klägerin war dagegen der Ansicht, dass keine speziellen Kenntnisse im Bereich des Gesellschaftsrechts erforderlich gewesen wären.
Die Rechtspflegerin begründete ihre Entscheidung zur Ablehnung der Erstattung der Reisekosten unter Verweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg damit, dass ein Spezialwissen eines Rechtsanwalts zwar für die Vertretung einer Partei nützlich ist, dies aber noch nicht heiße, dass dessen ansonsten nicht notwendigen Gebühren und Auslagen auf Kosten des Prozessgegners erstattet werden müssten. Rechtsanwälte hätten sich auch in schwierige und selte...