Leitsatz

§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. j EStG erfasst auch die Veräußerung eines durch Kapitalerhöhung entstandenen Bezugsrechts. Es verstößt nicht gegen das Nettoprinzip, wenn nach § 3c Abs. 2 S. 1, 2. HS. EStG dem halben Veräußerungspreis die Anschaffungskosten nur zur Hälfte gegenüberzustellen sind.

 

Sachverhalt

Im Oktober 2001 erwarb A 350 Aktien für 1645 EUR und im Februar 2002 weitere 800 Aktien für 3728 EUR. Im Juli 2002 wurden ihm aus einer Kapitalerhöhung Bezugsrechte zugewiesen. Im August 2002 veräußerte A die Bezugsrechte für 371,24 EUR und die Aktien für 816,50 EUR. Das Finanzamt erhöhte den von A erklärten Veräußerungsverlust, indem es (auch) auf die Veräußerung der Bezugsrechte das Halbeinkünfteverfahren anwandte. Die Klage des A war erfolgreich, ebenso allerdings die Revision des Finanzamts.

 

Entscheidung

Nach § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. j EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises bei der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft steuerfrei. Unter "Anteile" fallen auch Bezugsrechte. Zwar hat dies das Gesetz nur in § 17 Abs. 1 S. 3 EStG so bestimmt; nichts anderes gilt allerdings im Anwendungsbereich des § 23 EStG. Durch die Ausgabe von Bezugsrechten kommt es zu einer Substanzübertragung von der Altaktie auf das Bezugsrecht, so dass dieses Recht nun auch einen Teil des Unternehmenswerts repräsentiert. Weil § 23 EStG wie auch § 17 EStG Wertsteigerungen erfasst, sind sie nur zur Hälfte zu besteuern. Folge des hälftigen Ansatzes des Veräußerungspreises ist der hälftige Abzug der Anschaffungskosten nach § 3c Abs. 2 S. 1 EStG. Dass hierin kein Verstoß gegen das Nettoprinzip liegt, ergibt sich aus folgender Überlegung: Wollte man die Anschaffungskosten bei nur halbem Veräußerungspreis in voller Höhe abziehen, könnten Wertsteigerrungen entgegen der gesetzlichen Intention regelmäßig nicht erfasst werden.

 

Praxishinweis

Das Urteil ist vor dem Hintergrund der im Schrifttum geführten Diskussion über die Verfassungswidrigkeit des § 3c Abs. 2 EStG[1] wichtig. Es stellt klar, dass jedenfalls beim Abzug von Anschaffungskosten gemäß § 3c Abs. 2 EStG folgerichtig besteuert wird, nämlich so, wie es § 8b KStG für im Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehaltene Beteiligungen vorsieht: als Differenz zwischen den Anschaffungskosten bzw. dem Buchwert und dem Veräußerungspreis. Damit ist noch nicht geklärt, inwieweit sonstige Aufwendungen abziehbar sind. Es fragt sich, ob es gegen das Nettoprinzip verstößt, wenn z.B. Finanzierungsaufwendungen des Aktionärs nur zur Hälfte abziehbar sind, obgleich nach der Ratio des Halbeinkünfteverfahrens davon auszugehen ist, dass schon auf der Ebene der Gesellschaft – zur Hälfte – versteuert wird und die Schuldzinsen mit der Besteuerung auf beiden Ebenen zusammenhängen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 27.10.2005, IX R 15/05

[1] Vgl. nur Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, S. 381ff.

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