Leitsatz (amtlich)

Der Rabattfreibetrag kommt auch bei der verbilligten Abgabe von Medikamenten an die Belegschaft eines Krankenhauses in Betracht.

 

Sachverhalt

Im Rahmen einer LSt-Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin, die ein Krankenhaus betreibt, ihren Arbeitnehmern aus ihrer Apotheke nicht verschreibungspflichtige Medikamente und sonstige medizinische Artikel mit Rabatt überlassen hat. Der Prüfer sah die Differenz zwischen Abgabenpreis und ortsüblichem Preis als geldwerten Vorteil an, der steuerpflichtig sei, weil der Rabattfreibetrag des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht eingreife. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Vorteile den jeweiligen Rabattfreibetrag nicht überstiegen und dass Waren der abgegebenen Art nicht überwiegend an Arbeitnehmer vertrieben wurden. Das Finanzamt erließ für den Zeitraum 1992 bis Juni 1995, dem Prüfer folgend, einen Haftungsbescheid, mit dem es die auf die geldwerten Vorteile entfallende Lohnsteuer nacherhob. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Die Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG sind die nach Satz 1 dieser Vorschrift ermittelten Vorteile steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 2 400 DM im Kalenderjahr nicht übersteigen. Die Steuerbefreiung erfasst Rabatte auf Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden, wobei als Wert der Waren oder Dienstleistungen die um 4 % geminderten Endpreise gelten, zu denen die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden. Unter "Waren und Dienstleistungen" sind Gegenstände aus der Liefer- und Leistungspalette des Arbeitgebers zu verstehen[2]. Dem Umstand, dass solche Güter vom Arbeitgeber "nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht" werden müssen, ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber mit ihnen selbst am Markt in Erscheinung treten muss[3].

Entgegen der Auffassung des Finanzamts hat die Klägerin Medikamente und medizinische Artikel der hier streitigen Art selbst vertrieben. Aus den Begriffen "hergestellt, vertrieben oder erbracht" ergibt sich lediglich, dass der Arbeitgeber hinsichtlich der Güter, die er an Arbeitnehmer verbilligt oder unentgeltlich abgibt, selbst Marktteilnehmer sein muss. Es kommt nicht darauf an, ob das Krankenhaus mit anderen Vertreibern von Medikamenten und medizinischen Artikeln in der Weise konkurriert, dass es die Waren - in gleicher Weise wie jene - verkauft. Es reicht vielmehr aus, dass es solche Güter überhaupt an Marktteilnehmer - hier: die Patienten - vertreibt. Dagegen spielt keine Rolle, dass die Güter regelmäßig nur neben anderen Leistungen (z.B. ärztliche Betreuung, Unterkunft und Verpflegung) abgegeben werden. Es soll lediglich die Begünstigung eines überbetrieblichen Belegschaftshandels ausgeschlossen werden[4].

Bei den streitigen Medikamenten und medizinischen Artikeln handelt es sich auch um eigenständige Gegenstände der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin. Das Krankenhaus erstellt, vertreibt oder erbringt eine vom Einzelfall abhängige Vielzahl einzelner Dienst- und Materialleistungen, die von der Art und Schwere der Erkrankung, von Komplikationen, der Verweildauer usw. abhängt. Hierzu gehören auch von Fall zu Fall verabreichte Medikamente und verwendete medizinische Artikel. Werden solche Güter an Marktteilnehmer abgegeben, ist nicht mehr entscheidend, ob die hierauf entfallenden Kosten gesondert abgerechnet werden oder ob aus Vereinfachungsgründen eine Pauschalrechnung erfolgt. Insbesondere ist auch nicht von Bedeutung, ob im Krankenhaus der Klägerin Privatpatienten behandelt wurden, mit denen gesondert abgerechnet wird, oder Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, denen die Behandlung von ihrer Kasse durch Leistungserbringer als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist ebenfalls nicht entscheidend, welche wirtschaftliche Bedeutung der Abgabe von Medikamenten und medizinischen Artikeln im Vergleich zu anderen von der Klägerin erbrachten Leistungen zukommt. Maßgebend ist vielmehr, dass der Arbeitgeber überhaupt mit Produkten der streitigen Art am Markt erscheint und dass sein diesbezüglicher Belegschaftshandel nicht den Marktumsatz überwiegt. Für die Steuerbefreiung auf Belegschaftsrabatte ist weder von Bedeutung, ob die Leistungen für das betreffende Unternehmen typisch sind, noch, welchen Rang sie in der Unternehmensbetätigung einnehmen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 27.8.2002 – VI R 63/97

[2] Vgl. BFH-Urteil vom4.11.1994, VIR 81/93, BStBl II1995, S. 338
[4] Vgl. BT-Drs. 11/2157, S. 142, linke Spalte, vorletzter Absatz

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