Leitsatz
Schaltet ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betriebsgebäudes eine Personengesellschaft vor, die das Gebäude errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet, kann ein Rechtsmissbrauch i. S. des § 42 AO vorliegen, der bei der Personengesellschaft zur Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Herstellungskosten führt. Die Gestaltung kann aber auch durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt sein. Dazu gehören jedoch nicht ertragsteuerliche Gründe.
Sachverhalt
Im Urteilsfall errichtete eine Tochterpersonengesellschaft einer Bank ein Bürogebäude und vermietete es für 10 Jahre steuerpflichtig an die Bank. Das Bauvorhaben war von der Bank geplant worden und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Die Mittel dafür hatte die Tochtergesellschaft von der Bank und einer anderen Tochtergesellschaft durch Gesellschafterdarlehen und später durch Übertragung aus deren Rücklagen erhalten. Hätte die Bank das Gebäude selbst errichtet, wäre kein Vorsteuerabzug möglich gewesen, da Banken nur steuerfreie Umsätze ausführen (§ 4 Nr. 8 UStG).
Zwar steht der Tochtergesellschaft grundsätzlich der Vorsteuerabzug zu, wenn sie die Vermietungsumsätze unter Verzicht auf die Steuerbefreiung ausführt. Jedoch ist ihr der Vorsteuerabzug wegen rechtsmissbräuchlicher Gestaltung i. S. von § 42 AO zu versagen. Diese deutsche Regelung ist auch im harmonisierten Mehrwertsteuerrecht weiterhin anwendbar. Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG (Berichtigung der Vorsteuerabzüge) schließt nicht die Versagung des Vorsteuerabzugs wegen Rechtsmissbrauchs aus, sondern steht im Verhältnis zur Begrenzung des Rechts auf Vorsteuerabzug wegen Rechtsmissbrauchs gleichberechtigt nebeneinander (vgl. Rdnr. 84 des EuGH-Urteils v. 21.2.2006, Rs. C 255/02, Halifax UR 2006 S. 232). Die Vorschrift steht dem Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug entgegen, wenn die fraglichen Umsätze eine "missbräuchliche Praxis" darstellen und wenn aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (hier während der 10jährigen Vorsteuerberichtigung 2 141 925 DM).
Deshalb ist die Vorschaltung der Personengesellschaft allein zur Erlangung des Vorsteuerabzugs aus dem von ihr zu verwirklichenden Bauvorhaben als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe für die Gestaltung – insbesondere für die anschließende steuerpflichtige Vermietung des Gebäudes an die Bank – nicht ersichtlich sind. Ertragsteuerliche Gründe sind keine beachtlichen wirtschaftlichen Gründe i. S. des § 42 AO zur Rechtfertigung einer umsatzsteuerlich unangemessenen Gestaltung.
Hinweis
Fordert das Finanzamt wegen Gestaltungsmissbrauch die Vorsteuern wieder zurück, ist es nach dem o. g. EuGH-Urteil verpflichtet, von der Rückforderung alle Steuern auf Ausgangsumsätze abzuziehen. Deshalb wird für die wegen § 42 AO nun steuerfreien Vermietungsumsätze die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht nach § 14c UStG geschuldet. Folgerichtig hatte das Finanzamt bei der Tochtergesellschaft die Umsatzsteuer auf 0 DM festgesetzt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 9.11.2006, V R 43/04.