Leitsatz

  1. Voraussetzung für die Annahme einer gesetzlichen Unterhaltsberechtigung i.S.d. § 33a Abs. 1 EStG ist die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nach § 1602 BGB. Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise kann die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht typisierend unterstellt werden (Änderung der Rechtsprechung, BFH-Urteil v. 18.05.2006, III R 26/05, BFH/NV 2006 S. 1930).
  2. Die konkrete Betrachtungsweise führt dazu, dass die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs (§§ 1601 bis 1603 BGB) vorliegen müssen und die Unterhaltskonkurrenzen (§ 1606, § 1608 BGB) zu beachten sind.
  3. Bei landwirtschaftlich tätigen Angehörigen greift die widerlegbare Vermutung, dass diese nicht unterhaltsbedürftig sind, soweit der landwirtschaftliche Betrieb in einem nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaats üblichen Umfang und Rahmen betrieben wird (Bestätigung des BFH-Urteils v. 13.03.1987, III R 206/82, BStBl 1987 II S. 599).
 

Sachverhalt

K überwies 2005 insgesamt 17.400 EUR an seine drei in der Türkei lebenden Kinder. Alle Kinder sind verheiratet, ohne Ausbildung und haben minderjährige Kinder. Die Familien bewirtschaften Land, das K gehört, und wohnen in Häusern, die K gehören. Für sie liegen von türkischen Behörden erstellte Unterhalts- und Arbeitslosenbescheinigungen vor. K beantragte den Abzug von Unterhaltszahlungen von 2.900 EUR für die Tochter, je 1.450 EUR für zwei Söhne sowie je 2.900 EUR für drei Enkel. Das Finanzamt folgte dem mangels nachgewiesener Bedürftigkeit nicht. Die Klage war erfolgreich.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf und gab dem FG auf, nach folgenden Grundsätzen weitere Feststellungen zu treffen und neu zu entscheiden: § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG spricht von der "gesetzlich unterhaltsberechtigten Person". Dies legte der III. Senat des BFH bisher so aus, dass die konkrete Unterhaltsberechtigung bei Vorliegen eines Verwandtschaftsverhältnisses unerheblich war, die Bedürftigkeit wurde unterstellt (abstrakte Betrachtungsweise).

Daran hält der VI. Senat nicht mehr fest: Zur gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung muss die gesetzliche Unterhaltsberechtigung hinzukommen. Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Unterhaltsberechtigung setzt nun die Bedürftigkeit des Unterhaltenen voraus (konkrete Betrachtungsweise). Die zivilrechtlichen Grund-voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs müssen vorliegen und die Unterhaltskonkurrenzen beachtet werden.

 

Hinweis

Unabhängig von der Rechtsprechungsänderung gilt:

  • die unentgeltliche Nutzung der Häuser des K war als Sachbezug anzusetzen und in die Höchstbetragsberechnung einzubeziehen;
  • die drei Familien lebten nicht in einer Haushaltsgemeinschaft; deshalb waren die von K gezahlten Beträge jeweils auf die einzelnen Haushaltsgemeinschaften aufzuteilen. Nur innerhalb des jeweiligen Familienstamms ist nach Köpfen aufzuteilen.
 

Link zur Entscheidung

BFH, 05.05.2010, VI R 29/09.

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?