Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Ein Leiharbeitnehmer verfügt typischerweise nicht über eine regelmäßige Arbeitsstätte.
Sachverhalt
K ist bei A angestellt. A verleiht seine Arbeitnehmer – auch K – als Hafenarbeiter an verschiedene Dritte in einem Seehafengebiet jeweils kurzfristig nach deren Arbeitsbedarf. K begehrte den Abzug von Verpflegungsmehraufwand.
Das Finanzamt lehnte das ab, weil auch der BFH die Tätigkeit eines Festmachers in einem Hafengebiet als Arbeit an derselben Tätigkeitsstätte bewertet habe. Die Klage blieb erfolglos. Der BFH entsprach dem Anliegen des K, verwies die Sache aber zur Nachprüfung der Zahl der Tage mit Auswärtstätigkeit zurück.
Entscheidung
Die Vorschrift des § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG gestattet i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG den Abzug von Verpflegungsmehraufwand. Die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG genannten Tätigkeiten umschreibt der VI. Senat mit "Auswärtstätigkeit". Keine Auswärtstätigkeit ist die Tätigkeit am Tätigkeitsmittelpunkt und an der regelmäßigen Arbeitsstätte, also an einer dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht.
Der BFH differenziert danach, ob sich der Arbeitnehmer zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit auf den Tätigkeitsmittelpunkt bzw. die regelmäßige Arbeitsstätte einstellen könnte, z.B. durch Fahrgemeinschaften oder entsprechende Wohnsitznahme. Deshalb ist eine Tätigkeitsstätte beim Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte.
K ging einer Auswärtstätigkeit nach, weil er nicht bei seinem Arbeitgeber, sondern bei dessen diversen Kunden tätig war. K konnte sich als Leiharbeitnehmer nicht darauf einrichten, an einem bestimmten Tätigkeitsmittelpunkt bzw. einer regelmäßigen Arbeitsstätte dauerhaft tätig zu sein. Denn als Leiharbeitnehmer war er typischerweise stets bei Kunden seines Arbeitgebers tätig. Damit konnte K Verpflegungsmehraufwand geltend machen. Es lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass K bei den Kunden seines Arbeitgebers jeweils länger als 3 Monate ununterbrochen tätig war. Das Finanzamt konnte sich nicht auf das "Hafenfestmacherurteil" berufen, denn dort lag kein Leiharbeitnehmerverhältnis vor.
Hinweis
Nach Ansicht des BMF ist ein Leiharbeitnehmer nicht auswärts tätig, wenn er vom Verleiher für die gesamte Dauer seines Dienstverhältnisses dem Entleiher überlassen wird. Im Streitfall kam es darauf nicht an, der BFH ließ daher offen, ob er dem folgen könnte.
Link zur Entscheidung
BFH, 17.06.2010, VI R 35/08.