Leitsatz
- Der Betriebssitz des Arbeitgebers wird bereits dadurch zur regelmäßigen Arbeitsstätte eines Außendienstmitarbeiters, dass er ihn mindestens einmal wöchentlich aufsucht.
- In diese Fällen ist, wenn nach Anscheinsbeweisgrundsätzen von der Benutzung des Dienstwagens auszugehen ist, der Nutzungsvorteil nicht nach der 0,03%-Regelung mit einem Monatsbetrag, sondern nach der 0,002%-Regelung mit einem Pauschbetrag je Entfernungskilometer pro Fahrt anzusetzen.
Sachverhalt
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug zwar einen geldwerten Vorteil für die Privatnutzung des dem angestellten Außendienstmitarbeiter überlassenen Dienstwagens angesetzt hatte, nicht jedoch für die wöchentlichen Fahrten zu dem 50 km entfernten Betrieb. Aufgrund von Kontrollmitteilungen wurde dieser Umstand beim Außendienstmitarbeiter durch Änderung der Einkommensteuerbescheide 1996 bis 1998 bzw. im erstmaligen Bescheid 1999 dadurch berücksichtigt, dass insgesamt Nutzungsvorteile i.H. von 10.440 DM (1996 und 1997), 13.865 DM (1998) und 12.125 DM (1999) angesetzt wurden. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Auf die Revision verwies der BFH die Sache an das FG zurück, da der Nutzungswert für den Weg zur Arbeit nach den tatsächlichen Verhältnissen zu bemessen ist.
Entscheidung
Der Begriff der Arbeitsstätte in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG a.F. und in § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG deckt sich. Für diesen Begriff genügt, dass der Betriebssitz durch das wiederholte Anfahren des Arbeitnehmers eine hinreichende zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten erlangt, während er nicht von der Intensität und Dauer der dort ausgeübten beruflichen Tätigkeiten abhängt. Danach liegt eine regelmäßige Arbeitsstätte nicht nur vor, wenn der Betriebssitz täglich aufgesucht wird, um Aufträge entgegen zu nehmen, abzurechnen oder Bericht zu erstatten, sondern es kann reichen, wenn – wie hier – regelmäßig einmal in der Woche eine Fahrt zum Betriebssitz durchgeführt wird.
Was die Bewertung des Nutzungsvorteils für diese Fahrten betrifft, ist zu berücksichtigen, dass der Zuschlag zusätzlich zum Wert der reinen Privatnutzung nach dem Normzweck des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG einen Korrekturposten zum pauschalen Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG a.F. darstellt. Daher ist statt des – der pauschalen Vorteilsbewertung des Dienstwagens sonst zugrunde liegenden – Monatsprinzips das – der Entfernungspauschale zugrunde liegende – Tagesprinzip anzuwenden. Danach wird das FG zunächst Feststellungen zum benutzten Verkehrsmittel zu treffen haben, wobei – wie auch sonst beim Dienstwagen – die Grundsätze zum Anscheinsbeweis zu beachten sind. Wurde der Dienstwagen benutzt, ist für jede einzelne Fahrt der Vorteil mit 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer zu bewerten, weil dieser Wert auch der 0,03%-Regelung mit der typisierenden Annahme zugrunde liegt, der Dienstwagen werde monatlich an 15 Tagen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt.
Hinweis
Da das Gesetz selbst die 0,002%-Regelung nur bei den Familienheimfahrten anwendet, stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen der vom BFH vorgenommenen teleologischen Reduktion – nämlich das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke – tatsächlich gegeben sind. Einer mangelnden Folgerichtigkeit auf der Einnahmen- und Aufwandsseite, die im Übrigen auch hinsichtlich der Höhe des anzusetzenden Werts besteht, dürfte nicht durch Auslegungskorrektur, sondern durch Vorlage an das BVerfG zu begegnen sein. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob die Korrektur des 0,03%-Werts auch dann mittels der 0,002%-Regelung vorzunehmen ist, wenn die Grundannahme von 15 Arbeitstagen mit Fahrten zur regelmäßigen Arbeitsstätte wegen längerer Unterbrechungen durch Dienstreisen, Urlaub oder Krankheit nicht mehr zutrifft. Offen ist auch, wie beim Zusammentreffen von weniger als 15 Fahrten zur Arbeitsstätte und Benutzung des Dienstwagens nur zu Teilstrecken zu verfahren ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 4.4.2008, VI R 85/04.