Leitsatz
Die Leistungen eines Unternehmers, der die Durchführung von Sprachstudienaufenthalten im Ausland einschließlich Beförderung und Betreuung im eigenen Namen anbietet, können als einheitliche Leistung unter die Sonderregelung des § 25 UStG für Reiseleistungen fallen. Auf den Zweck oder die Dauer des Auslandsaufenthalts der Teilnehmer kommt es insoweit nicht an.
Sachverhalt
Eine GmbH, die internationale Sprach- und Studienreisen veranstaltet, bot in den Streitjahren 1995 bis 1997 insbesondere High-School- und College-Programme in anglophonen Ländern an.
Im Rahmen der High-School-Programme verschaffte die GmbH Schülern Plätze an High-Schools und brachte sie in von einer ausländischen Partnerorganisation ausgewählten Gastfamilien unter. Die Pauschalpreise für die Reisen lagen zwischen 8970 DM und 9680 DM. Sie umfassten insbesondere die Flüge, Wohnung und Verpflegung bei der Gastfamilie, Unterricht an der High-School und Betreuung durch die Partnerorganisation während des Aufenthalts. Im Wirtschaftsjahr 1996/97 bezog die GmbH für jeden Teilnehmer des High-School-Programms durchschnittlich Vorleistungen in Höhe von 6 231 DM, insbesondere von der Partnerorganisation und von Fluggesellschaften. Für Kost und Logis bei den Gastfamilien entstanden keine Aufwendungen, weil diese aus ideellen Motiven handelten.
Bei College-Programmen für Studenten und Abiturienten war es Aufgabe der Partnerorganisation, College-Plätze für ein bis drei Trimester bereitstellen zu lassen. Die Partnerorganisation entrichtete die College-Gebühren aus den Beiträgen, die sie von der GmbH für ihre Leistungen erhielt. Ferner wurden die Teilnehmer nicht bei Gastfamilien, sondern im College untergebracht und verpflegt. Anders als bei den High-School-Programmen buchten die Teilnehmer ihre Flüge selbst.
Das Finanzamt verneinte Reiseleistungen i.S. von § 25 UStG und nahm steuerfreie sonstige Leistungen i.S. von § 4 Nr. 23 UStG zu Erziehungs- oder Ausbildungszwecken an. Hauptleistung sei die Beherbergung und Beköstigung der Jugendlichen zu Aus- und Fortbildungszwecken, die als Erziehungsmaßnahme zur Persönlichkeitsbildung beitragen solle. Die Zahlungen an die Partnerorganisationen in den Gastländern seien der bei weitem größte Kostenfaktor. Alle anderen mit Kosten verbundenen Leistungen, etwa Flug- und Transferleistungen, seien unselbständige Nebenleistungen von untergeordneter Bedeutung. Die Gastfamilien und die Colleges seien als Erfüllungsgehilfen der GmbH anzusehen. Der Ort dieser sonstigen Leistung liege im Inland. Bei den gemäß § 4 Nr. 23 UStG steuerfreien Leistungen sei kein Vorsteuerabzug möglich.
Das FG gab der Klage statt. Das Finanzamt legte Revision ein. Im Revisionsverfahren holte der BFH eine Vorabentscheidung des EuGH zur Auslegung des Art. 26 der 6. EG-Richtlinie als Grundlage des § 25 UStG ein.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg. Die Umsätze der GmbH sind Reiseleistungen i.S. von § 25 Abs. 1 UStG. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich meist aus mehreren Leistungen, vor allem Beförderungs- und Unterbringungsleistungen, zusammensetzen:
- Bei den High-School-Programmen handelt es sich insbesondere um Beförderungsleistungen ins und im Ausland sowie die (touristische) Betreuung am Zielort. Unterbringung und Verpflegung bei den Gastfamilien sind hier unentgeltlich, also nicht Gegenstand des Pauschalpreises.
- Bei den College-Programmen sind es vorrangig die mit Hilfe der Partnerorganisation erbrachten Betreuungsleistungen.
Die GmbH trat gegenüber den Leistungsempfängern im eigenen Namen auf, ebenso gegenüber den Fluggesellschaften und Partnerorganisationen – nicht als deren Vermittler. Insoweit handelt es sich um Reisevorleistungen i.S. von § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG. Diese Reisevorleistungen hatten nicht nur Hilfscharakter gegenüber den Hauptleistungen der Klägerin. Das ergab sich schon aus den auf sie entfallenden Aufwendungen und deren Verhältnis zu den Aufwendungen für die Sprachausbildung und -erziehung. Damit kam eine Einordnung des "Leistungsbündels" der GmbH unter § 4 Nr. 23 UStG nach den Gesamtumständen nicht in Betracht.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts spielen Zweck oder Dauer der Reise für die Anwendbarkeit des § 25 UStG keine Rolle. Während der EuGH entschieden hat, dass ein etwa halb- oder einjähriger Schüleraustausch, bei dem der Schüler im Gastland eine Schule besucht, um dessen Bevölkerung und Kultur kennen zu lernen, und unentgeltlich bei einer Gastfamilie wie ein Familienmitglied untergebracht ist, keine Reise ist, stellt er hier fest, dass diese Beurteilung keinen Einfluss auf die Anwendung des § 25 UStG hat. Eine Begrenzung der Anwendung anhand des Zwecks der Reise und der Dauer des Aufenthalts im Bestimmungsland würde die Tragweite des Art. 26 der 6. EG Richtlinie offenkundig einschränken; das wäre mit der durch ihn eingeführten Sonderregelung unvereinbar.
Praxishinweis
Als wesentliche Aussage der Entscheidung ist festzuhalten, dass die Anwendbarkeit des § 25 UStG nicht durch Zweck oder Dauer de...