Leitsatz
- Tätigt eine GmbH Risikogeschäfte (Wertpapiergeschäfte), so rechtfertigt dies regelmäßig nicht die Annahme, die Geschäfte würden im privaten Interesse des (beherrschenden) Gesellschafters ausgeübt. Die Gesellschaft ist grundsätzlich darin frei, solche Geschäfte und die damit verbundenen Chancen, zugleich aber auch Verlustgefahren wahrzunehmen (Bestätigung des Senatsurteils vom 8.8.2001, I R 106/99, BStBl II 2003, S. 487 = INF 2001, S. 735; Abweichung von den BMF-Schreiben vom 19.12.1996, IV B 7 – S 2742 – 57/96, BStBl I 1997, S. 112; vom 20.5.2003, IV A 2 – S 2742 – 26/03, BStBl I 2003, S. 333).
- Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann jedoch anzunehmen sein, wenn die GmbH die Wertpapiergeschäfte mit ihren beherrschenden Gesellschaftern tätigt und der Kaufpreis durch Kursbeeinflussung zugunsten der Gesellschafter bestimmt ist.
Sachverhalt
Eine GmbH vereinbarte am 6.9.1995 mit ihren beiden Gesellschaftern, von ihnen mit Wirkung zum 1.10.1995 Aktien der X-AG zu kaufen. Als Kaufpreis wurde der Mittelkurs des Börsenwerts in der Zeit vom 12. bis 14.9.1995 zuzüglich eines Paketzuschlags von 5 % bestimmt; er betrug danach 245,70 DM je Aktie. Nachdem der Aktienkurs zum 31.12.1995 auf 190 DM gesunken war, behandelte das Finanzamt die von der GmbH vorgenommene Teilwertabschreibung als verdeckte Gewinnausschüttung.
Entscheidung
Von einer GmbH erzielte Verluste sind grundsätzlich auch dann steuermindernd zu berücksichtigen, wenn sie aus Risikogeschäften resultieren. Das gilt unabhängig davon, ob das betreffende Geschäft den eigentlichen Unternehmensgegenstand der GmbH berührt oder nicht. Auch wird die Verlustberücksichtigung im vorliegenden Fall nicht durch die Orientierung des Kaufpreises an einem künftigen Börsenkurs gehindert; diese Vertragsbestimmung ist "unverdächtig". Eine andere Beurteilung ist nur dann angezeigt, wenn die Beteiligten den maßgeblichen Kurs beeinflussen wollten und konnten oder wenn sie konkrete Insiderkenntnisse über die wahrscheinliche Kursentwicklung hatten. Diese Punkte muss das FG noch prüfen. Kann es solche Besonderheiten aber nicht feststellen, so ist für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung kein Raum.
Praxishinweis
Der BFH bestätigt damit seine Rechtsprechung, nach der eine GmbH auch bei riskanten Geschäften regelmäßig im eigenen unternehmerischen Interesse handelt und ihr deshalb Gewinne wie Verluste zuzurechnen sind. Anders ist es zwar, wenn das Geschäft erkennbar vor allem durch das Interesse des Gesellschafters getragen wird. Das ist aber nur in Ausnahmefällen, z.B. bei absehbaren Verlustgeschäften oder der Befriedigung eines Spieltriebs, anzunehmen. Die Finanzverwaltung hatte dies bisher enger gesehen, wird aber jetzt wohl auf die Linie des BFH einschwenken.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 31.3.2004, I R 83/03