Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Wird der Verkauf eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft durch die Parteien des Kaufvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage tatsächlich und vollständig rückgängig gemacht, kann dieses Ereignis auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken.
Sachverhalt
K war an einer GmbH qualifiziert beteiligt. Bis auf 2 wurden alle ehemaligen Genossen bis 1996 ausbezahlt. 1996 wurden Anlagegüter auf eine GbR ausgelagert und dabei Darlehen mit EK 04 verrechnet. K veräußerte ihre Anteile 1997 an die beiden Mitgesellschafter. Die steuerlichen Folgen sollte die GmbH tragen.
Zunächst wurden bei K die Ausschüttungen 1996 erfasst. Während des Einspruchverfahrens änderte das Finanzamt den Bescheid für 1997 und setzte den um die Ausschüttungen erhöhten Veräußerungsgewinn an. Die Parteien hatten zuvor bereits den Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgehoben und sich die Leistungen zurückgewährt.
Entscheidung
Das FG würdigte den Sachverhalt als Rückabwicklung mit steuerlicher Rückwirkung und verneinte einen Besteuerungstatbestand. Dies billigte der BFH. Weil im Rahmen einer Änderung gem. § 173 AO entschieden werden musste, bedurfte es keines Rückgriffs auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Hinweis
Wer an einer GmbH qualifiziert beteiligt ist, muss einen durch einen Anteilsverkauf bewirkten Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 1 EStG versteuern. Wurde im Jahr 1996 EK 04 ausgeschüttet, erhöhte dieser Vorgang den Veräußerungsgewinn als negative Anschaffungskosten, was der BFH im Jahr 1999 entschieden hatte.Die steuerlichen Folgen eines Vertrags können Geschäftsgrundlage sein, so dass ein gemeinsamer Irrtum der Vertragsparteien zu ihrem Wegfall führen kann. Zwar betreffen die steuerlichen Folgen eines Veräußerungsgeschäfts regelmäßig die Risikosphäre des Verkäufers. Das ist aber anders, wenn die Vertragsparteien eine bestimmte steuerliche Lastenverteilung zur Vertragsgrundlage gemacht haben. Die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage sind in § 313 BGB kodifiziert.
Wenn die Parteien den Vertrag wegen ihres Irrtums über die steuerlichen Folgen rückgängig machen, liegt auch steuerlich ein rückwirkendes Ereignis vor. Das hat zur Folge, dass der Tatbestand des § 17 Abs. 1 EStG nicht erfüllt ist. Ein rückwirkendes Ereignis hat der BFH bereits bei nachträglichen Änderungen des Kaufpreises angenommen. Liegt der Anknüpfungspunkt für die vertragliche Rückabwicklung im Kaufvertrag selbst, wirkt sie auch steuerlich zurück und verhindert, dass es zu einer "Veräußerung von Anteilen" kommt. Dies hat der BFH für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nun erstmals entschieden. Es kommt nicht darauf an, ob ein Vertragspartner vor den ordentlichen Gerichten Erfolg gehabt hätte.
Link zur Entscheidung
BFH, 28.10.2009, IX R 17/09.