Leitsatz
Eine Lieferung ist auch dann i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG rückgängig gemacht worden, wenn der Konkursverwalter die Erfüllung eines zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens vom Gemeinschuldner und seinem Vertragspartner noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllten Vertrags ablehnt (§ 17 KO) und der Lieferer infolgedessen die Verfügungsmacht an dem gelieferten Gegenstand zurückerhält.
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb seit 1982 eine Hotelanlage. 1987 verkaufte sie die Anlage für 6400000 DM zuzüglich 896000 DM Umsatzsteuer an C, die sie ab 1988 an die Klägerin für monatlich 39842 DM zuzüglich Umsatzsteuer verpachtete. Am 18.5.1994 wurde über das Vermögen der C das Konkursverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt war ein Teilbetrag des vereinbarten Kaufpreises von 2456126 DM noch nicht bezahlt. Das Eigentum an dem Grundstück hatte die Klägerin noch nicht auf C übertragen; die monatlichen Pachtzahlungen hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt geleistet. Mit Schreiben vom 20.6.1994 lehnte der Konkursverwalter die Erfüllung des Kaufvertrags über die Hotelanlage ab. Danach meldete die Klägerin einen Differenzbetrag in Höhe von 2394097,20 DM (Schadensersatzansprüche gegenüber C, verrechnet mit bisher geleisteten Kaufpreiszahlungen) zur Konkurstabelle an. Der Betrag wurde vom Konkursverwalter anerkannt.
Die Lieferung der Hotelanlage hatte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1988 erfasst. Bei der Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 1994 ging das Finanzamt davon aus, dass die noch offene Kaufpreisforderung wegen des Konkurses uneinbringlich geworden sei, und berichtigte die für die Grundstückslieferung geschuldete Umsatzsteuer gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG entsprechend; eine weiter gehende Berichtigung des Steuerbetrags lehnte es ab. Während des anschließenden Klageverfahrens erließ das Finanzamt einen Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 1994. Dabei berichtigte es (geschätzt) den Steuerbetrag nur noch um 294000 DM. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin beantragte mit der Revision die Gesamtberichtigung der Umsatzsteuer um 896000 DM und hatte im Wesentlichen Erfolg.
Entscheidung
Das Grundstück wurde 1988 geliefert. Dem steht nicht entgegen, dass die Erwerberin C zu diesem Zeitpunkt noch nicht Eigentümerin des Grundstücks geworden war; es genügte, dass sie mit Beginn der Verpachtung die Verfügungsmacht über das Grundstück erlangt hatte.
Das Finanzamt hatte bereits zutreffend die Umsatzsteuer berichtigt, soweit sie auf den von C noch nicht beglichenen Teilbetrag der Kaufpreisforderung entfiel. Denn die Forderung aus der Grundstückslieferung an den Gemeinschuldner aus der Zeit vor Konkurseröffnung wurde unbeschadet einer möglichen Konkursquote im Augenblick der Konkurseröffnung in voller Höhe uneinbringlich i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
Darüber hinaus war der Teil des Kaufpreises für die Hotelanlagen, den C vor Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen bereits an die Klägerin gezahlt hatte, nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG zu berichtigen, denn die Grundstückslieferung ist im Streitjahr rückgängig gemacht worden.
Mit der Erfüllungsablehnung durch den Konkursverwalter (1994) ist das der ursprünglichen Lieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt worden. Dieses hat zur Rückübertragung der Verfügungsmacht über das Grundstück auf die Klägerin geführt.
Praxishinweis
Die konkursrechtlichen Maßnahmen des Konkursverwalters schlagen auf das Umsatzsteuerrecht durch. Die Erfüllungsablehnung bewirkt – zu diesem Zeitpunkt, nicht rückwirkend – eine Rückabwicklung von Umsätzen, die bereits "erfüllt" sind, auch wenn die zivilrechtliche Vertragserfüllung (hier: Übereignung und Zahlung) noch nicht gegeben ist. Diese Wirkung geht über die der Uneinbringlichkeit noch nicht erfüllter Forderungen hinaus.
Die Ausführungen zu § 17 KO gelten entsprechend für die Regelung der Erfüllungsablehnung nach § 103 InsO.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.05.2003, V R 20/02