Leitsätze (amtlich)

  1. Wurde eine Rechnung mit Steuerausweis über eine nicht ausgeführte Leistung an den Aussteller zurückgegeben oder storniert, ohne dass der Empfänger der Rechnung die ausgewiesene Steuer als Vorsteuer abzog, so ist die Gefährdung für das Steueraufkommen durch die Rechnung beseitigt; die nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldete Steuer ist zu berichtigen (Anschluss an EuGH-Urteil vom 19.9.2000, Rs. CM54/98, Schmeink & Cofreth/Manfred Strobel, UVR 2000, S. 424, UR 2000, S. 470).
  2. Die Berichtigung der Steuer kann im Verfahren über die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung erfolgen, wenn noch in dem selben Besteuerungszeitraum die Gefährdung beseitigt wurde.
 

Sachverhalt

Klägerin ist eine im August 1988 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschte GmbH i.L., die zuvor im Textilhandel tätig war. Die Klägerin hatte am 27.3. des Streitjahres 1987 eine Rechnung an eine P-GmbH in V über die Lieferung von Textilien für 219 820 DM zuzüglich 30 669,20 DM USt ausgestellt. Der Rechnungsbetrag wurde von einer H-GmbH - die nicht Rechnungsadressatin war - mit Überweisungsauftrag vom 2.4.1987 auf ein Konto der Klägerin überwiesen. Die abgerechnete Leistung wurde von der Klägerin nicht ausgeführt und auch nicht in ihren USt-Voranmeldungen angegeben. Das Finanzamt, das von diesem Vorgang durch eine Kontrollmitteilung erfuhr, zog die Klägerin im USt-Bescheid 1987 u.a. mit dem gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 zur USt heran. Das FG wies die Klage ab[1]. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Der im Streitfall in Betracht kommende § 14 Abs. 3 UStG 1980 ist als abstrakter Gefährdungstatbestand gefasst. Eine Korrektur der Inanspruchnahme des Rechnungsausstellers sieht das UStG nicht vor; Ausnahmen davon hat die Rechtsprechung in bestimmten Fällen zugelassen[2]. Gemeinschaftsrechtliche Grundlage für § 14 Abs. 3 UStG ist Art. 21 Nr. 1 Buchst, c der Richtlinie 77/388/EWG. Danach schuldet die Mehrwertsteuer "jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausweist". Die Bestimmung enthält keine ausdrückliche Regelung über die Möglichkeit, solche Rechnungen zu berichtigen und damit die Steuerschuld rückgängig zu machen. Der EuGH führte zur Auslegung dieser Bestimmung u.a. Folgendes aus: Habe der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt, so verlange der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden könne, ohne dass eine solche Berichtigung vom guten Glauben des Ausstellers der betreffenden Rechnung abhängig gemacht werden dürfe. Es sei Sache der Mitgliedstaaten, das Verfahren festzulegen, in dem zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden könne, wobei diese Berichtigung nicht im Ermessen der Finanzverwaltung stehen dürfe.

Die Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Steuer (als Korrektur der bisherigen Steuerfestsetzung) kann hier im Verfahren über die angefochtene USt-Festsetzung für 1987 jedenfalls dann erfolgen, wenn noch im Streitjahr eine Gefährdung des Steueraufkommens durch die Vorsteuerabzugsmöglichkeit des Rechnungsempfängers beseitigt wurde. Ergeben die nachzuholenden Feststellungen, dass die aufgrund der Rechnungserteilung mit Steuerausweis geschaffene Gefährdungslage für das Steueraufkommen aufgrund einer Rückgabe der Rechnung an die Klägerin bzw. einer Stornierung der Rechnung - ohne dass die darin ausgewiesene Steuer als Vorsteuer abgezogen worden war - beseitigt wurde, ist die angefochtene Steuerfestsetzung zu berichtigen. Auf wessen Tätigkeit diese Beseitigung zurückgeht, spielt dann keine Rolle. Die Änderung der angefochtenen Steuerfestsetzungen entspricht dann den Berichtigungsvoraussetzungen[3]. Unter diesen Voraussetzungen bedarf es keines gesonderten Billigkeitsverfahrens. Sollte die Rechnungsrückgabe oder -stornierung erst in einem Besteuerungszeitraum nach dem Streitjahr erfolgt sein, kommt u.U. nur noch die Durchführung eines Billigkeitsverfahrens - allerdings ohne Ermessensspielraum der Verwaltung über den Erlass der Steuer - in Betracht, um dem Berichtigungsgebot nachzukommen, z.B. wenn die entsprechenden Steuerfestsetzungen bereits unabänderbar sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 22.2.2001 – V R 5/99

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