Leitsatz (amtlich)
Wird ein Grundstück des Betriebsvermögens im Hinblick auf ein behördlich angeordnetes Nutzungsverbot veräußert, so können die aufgedeckten stillen Reserven grundsätzlich auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden, auch wenn dieses vor der Veräußerung erworben wird, sofern zwischen beiden Vorgängen ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Sachverhalt
Der Kläger handelt mit Fahrzeugen. Im Rahmen eines Vergleichs wurde ihm 1977 gestattet, das Betriebsgrundstück in S bis zum In-Kraft-Treten eines Bebauungsplans weiterhin für seine gewerblichen Zwecke zu nutzen. Mit Ordnungsverfügung vom 23.9.1985 wurde dem Kläger die Nutzung des Grundstücks zu gewerblichen Zwecken ab 1.5.1986 untersagt. Der Kläger erwarb 1985 ein Ersatzgrundstück in K. Der Betrieb wurde im Jahr 1987 verlegt. Im Oktober 1986 wurde ein Makler mit der Veräußerung des Grundstücks in S beauftragt. Einzelne Angebote schienen dem Kläger zu niedrig. Im Januar 1992 wurde das ehemalige Betriebsgrundstück veräußert. Der Kläger erzielte einen Gewinn von … DM, den er in Höhe von … DM mit den Anschaffungskosten für das Ersatzgrundstück in K saldierte. Das Finanzamt unterwarf die aufgedeckten stillen Reserven im Streitjahr 1992 in voller Höhe der Besteuerung. Eine gewinnneutrale Übertragung der stillen Reserven nach den Grundsätzen der Rücklage für Ersatzbeschaffung sei nicht möglich. Das FG wies die Klage ab. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten und von der Finanzverwaltung in R 35 EStR übernommenen Grundsätzen zur Rücklage für Ersatzbeschaffung kann eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven ausnahmsweise dann vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird.I.d.R. folgt die Ersatzbeschaffung zeitlich auf den Vorgang, der zur Aufdeckung der stillen Reserven führt. Unter besonderen Umständen kann sie aber auch vorangehen, z.B. wenn ein Unternehmer einen behördlichen Eingriff als unmittelbar bevorstehend erkennt und bereits vor dem Eingriff ein Ersatzgut beschafft, weil sich eine günstige Gelegenheit bietet. In diesen Fällen muss aber, um die Steuerbegünstigung zu erhalten, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem behördlichen Eingriff und der Ersatzbeschaffung dargetan werden können. Im Streitfall kann ein solcher ursächlicher Zusammenhang schon deswegen nicht bejaht werden, weil zwischen der Ersatzbeschaffung und der Veräußerung ein Zeitraum von mehr als sechs Jahren lag. Der BFH ist stets davon ausgegangen, dass die Ersatzbeschaffung nicht unbegrenzt vorgezogen werden kann. Bei vorgezogener Ersatzbeschaffung erscheint ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren zwischen Erwerb und Veräußerung noch angemessen, um den Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen zu bejahen. An diesen zeitlichen Vorgaben hält der Senat fest. Dabei berücksichtigt er auch, dass nach § 6b EStG für den Fall eines der Veräußerung vorangehenden Erwerbs ein Zeitraum von äußerstenfalls zwei Jahren unschädlich ist.
Die von den Klägern geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe sind nicht geeignet, ausnahmsweise von einer Gewinnrealisierung durch Kürzung der Anschaffungskosten abzusehen. Der lange Zeitraum zeigt, dass Anschaffung und Veräußerung nicht mehr im Rahmen eines mehr oder weniger einheitlichen Vorgangs abgewickelt wurden, sondern dass es dem Kläger darauf ankam, einen möglichst günstigen Kaufpreis zu erzielen und er dabei auch in Kauf nahm, einen längeren Zeitraum zu warten. Nach den Feststellungen des FG war der Kläger nicht aufgrund außergewöhnlicher Umstände an einer früheren Veräußerung gehindert.
Link zur Entscheidung
BFH vom 12.6.2001 – XI R 5/00