Dr. Alexander Becker, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Das Finanzamt will mit einer Überweisung auf ein vom Steuerpflichtigen angegebenes Konto regelmäßig mit befreiender Wirkung gegenüber dem Anspruchsberechtigten leisten, der das Konto angegeben hat. Das Kreditinstitut ist dabei nicht Leistungsempfänger, sondern lediglich die vom Steuerpflichtigen bezeichnete Zahlstelle.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige – eine Bank – unterhielt mit A Geschäftsverbindungen und hatte für ihn eine Girokonto eingerichtet. Auf dieses Konto, das A zunächst gegenüber dem Finanzamt angegeben hatte, überwies das Finanzamt ein Guthaben aus einem Steuererstattungsanspruch, obwohl ihm A zuvor für die Erstattung eine neue Kontoverbindung bei einer anderen Bank mitgeteilt hatte. Die Bank verrechnete die Gutschrift mit einem Teil des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schuldsaldos. Nachdem das Finanzamt die fehlerhafte Überweisung bemerkt hatte, erließ es gegen die Bank einen Rückforderungsbescheid.
Der BFH entscheidet, dass der gegen die Bank erlassene Rückforderungsbescheid rechtswidrig ist, weil das Finanzamt keinen Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gegen die Bank hat. Denn nicht diese, sondern A als Inhaber des Steuererstattungsanspruchs war Empfänger der Leistung des Finanzamts.
Die Bank hat mit der Entgegennahme des Überweisungsbetrags und dessen Verbuchung auf dem intern weitergeführten Konto für den früheren Kontoinhaber als Zahlstelle gehandelt. Denn sie ist in Nachwirkung des Girovertrags verpflichtet, Zahlungen, die sie für den früheren Kunden entgegen nimmt, auf dem bisherigen Konto entsprechend § 676f Satz 1 BGB zu verbuchen bzw. nach § 667 BGB herauszugeben. Mit der Gutschrift erfüllt sie demnach eine eigene nachvertragliche Pflicht, während sich die Leistung zwischen dem Überweisenden, der die fehlgehende Zahlung veranlasst hat, und dem Überweisungsempfänger vollzieht.
Wenn die Bank eines Überweisungsempfängers regelmäßig nur als bloße Leistungsmittlerin, d.h. als Zahlstelle des Überweisungsempfängers handelt und als solche in keinerlei Leistungsverhältnis zu dem Überweisenden steht, kann von ihr nicht die Herausgabe einer Fehlüberweisung verlangt werden, wenn sie den Überweisungsbetrag auf dem Konto des Leistungsempfängers gutgeschrieben hat. Die Verrechnung der Gutschrift mit dem bestehenden Schuldsaldo ist hingegen in dem banküblichen Kontokorrentvertrag begründet und stellt deshalb keine eigene Zweckbestimmung der Bank über die Verwendung der eingegangenen Überweisung dar.
Hinweis
Der BFH hat sich damit, wie bereits in einem früheren Verfahren, der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 5.12.2006, XI ZR 21/06, NJW 2007 S. 914) angeschlossen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 22.11.2011, VII R 27/11.