Leitsatz

Erhält der Versicherungsvertreter vom Versicherungsunternehmen die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags, so hat er für die Verpflichtung zukünftiger Vertragsbetreuung eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zu bilden.

 

Sachverhalt

Ein Versicherungsvertreter war außer zur Vermittlung von Lebens- und Schadensversicherungen auch zur Betreuung und Erhaltung des Bestands verpflichtet. Für die Vermittlung von Lebensversicherungen erhielt er eine Provision in Höhe eines Prozentsatzes des ersten Tarifbeitrags. Eine Folgeprovision für die Betreuung der Lebensversicherungsverträge erhielt er – anders als bei anderen Versicherungen – nicht. In der Bilanz zum 31.12.1992 bildete er erstmals für bereits vermittelte Lebensversicherungsverträge eine Rückstellung für Verwaltungskosten in Höhe von 334880 DM, die er in den folgenden Jahren dem Zugang an Lebensversicherungsverträgen anpasste. Den künftigen Aufwand pro Vertrag schätzte er mit zwei Mitarbeiterstunden. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH entschied, dass eine Rückstellung gem. § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB dem Grunde nach zu bilden war. Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen zwar in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Ein Bilanzausweis ist aber u.a. dann geboten, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist[1]. Der Steuerpflichtige befand sich hier an den streitigen Bilanzstichtagen in einem Erfüllungsrückstand. Er hatte weniger geleistet, als er vertraglich für die von der Versicherung bis dahin erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte. Denn seine Verpflichtung, die Lebensversicherungsverträge nach deren Abschluss zu betreuen und abzuwickeln, ist Teil der Gegenleistung, die er für die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Provisionsansprüche noch zu erbringen hatte. Da das FG keine Feststellungen zur Höhe der Rückstellung getroffen hatte, ging die Sache an das FG zurück.

 

Praxishinweis

Im Urteilsfall liegt die Frage nahe, ob eine passive Abgrenzung der Provisionen sachgerechter gewesen wäre. Der Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens steht allerdings entgegen, dass die Betreuung und weitere Abwicklung der Lebensversicherungsverträge einer zeitraumbezogenen Abgrenzung nicht zugänglich ist. Tatsächlich kann nämlich nicht festgestellt werden, zu welchem Zeitpunkt eine "Bearbeitung" der Verträge notwendig wird. Dass der Versicherungsfall bei Lebensversicherungen irgendwann eintritt, steht zwar fest; wann das sein wird, ist indes nicht vorhersehbar. Zumindest der Mindestzeitraum für die Dauer der Leistungserbringung müsste aber berechenbar sein[2]. Abgesehen davon gibt es bei Lebensversicherungsverträgen weitere Ereignisse, die eine vorzeitige Bearbeitung notwendig werden lassen, z.B. eine Scheidung oder finanzielle Notlage. Insoweit steht aber nicht einmal fest, ob ein solches Ereignis überhaupt eintritt.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 28.7.2004, XI R 63/03

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