Leitsatz
Wird der Gesellschafter einer vermögenslosen GmbH für deren Verbindlichkeiten im Wege des Durchgriffs in Anspruch genommen, so sind die Verbindlichkeiten in seinem Einzelunternehmen gewinnmindernd zu passivieren, wenn seine zum Ersatz verpflichtende Handlung dessen Betriebseinnahmen erhöhte.
Sachverhalt
Der Kläger war beherrschender Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer Bau-GmbH, die in Konkurs fiel. Daneben betrieb er ein Einzelunternehmen, das für die GmbH die Planung und Bauaufsicht gegen eine Provision von 4,5 % der Nettoherstellungskosten übernahm. Auf die Klage eines Handwerkers, der mit seiner Forderung gegen die GmbH ausgefallen war, wurde der Kläger vom OLG wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Für diese Verbindlichkeit bildete er im Einzelunternehmen eine Rückstellung, die das Finanzamt nicht anerkannte. Das FG wies die Klage ab. Die Schadensersatzverpflichtung stünde in keiner Beziehung zum Einzelunternehmen. Diese Auffassung teilt der BFH nicht.
Entscheidung
Der BFH sieht die ernstlich drohende Inanspruchnahme des Klägers für Verbindlichkeiten der GmbH als betrieblich veranlasst an und lässt deshalb die Bildung der Rückstellung in der Bilanz des Einzelunternehmens zu. Maßgeblich dafür ist, dass die sittenwidrige Schädigung im Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit des Klägers erfolgte (objektiver Zusammenhang) und dass die zum Schadensersatz verpflichtenden Handlungen der Erzielung von Betriebseinnahmen im Einzelunternehmen dienten (subjektiver Zusammenhang). Das OLG hatte nämlich festgestellt, dass der Kläger das Unternehmen der GmbH ohne Rücksicht auf eine kostendeckende Preiskalkulation ausgeweitet hatte, umals deren Auftragnehmer im Rahmen seines Einzelunternehmens höhere Provisionseinnahmen erzielen zu können.
Anders als das FG beurteilt der BFH die Beteiligung des Klägers an der GmbH deshalb auch nicht als Privatvermögen mit der Folge, dass daraus resultierende Verluste allenfalls im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen wären, sondern als notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens. Die Beteiligung war dort für die Steigerung der gewerblichen Einnahmen unentbehrlich. Der durch die Inanspruchnahme entstehende Aufwand – so der BFH – erhöht nicht etwa die Anschaffungskosten der Beteiligung. Denn wegen der Vermögenslosigkeit der GmbH könnte eine verdeckte Einlage selbst dann nicht angenommen werden, wenn man unterstellt, dass die Verpflichtung zum Schadensersatz durch das Gesellschaftsverhältnis (und nicht durch ein gesetzliches Schuldverhältnis) entstanden ist.
Praxishinweis
Die Unternehmenskonstellation des Streitfalls dürfte in der Baubranche nicht unüblich sein. Werden die Unternehmen allerdings – wie hier – so geführt, dass auf Kosten der Gläubiger der GmbH die Einnahmen im Einzelunternehmen gesteigert werden, führt das zu zivilrechtlichen und steuerlichen Konsequenzen, die gewissermaßen die Kehrseiten einer Medaille bilden: Einerseitswird der grundsätzliche Ausschluss der persönlichen Haftung eines GmbH-Gesellschafters für Schulden der Gesellschaft aufgehoben, andererseits ist für die drohende persönliche Inanspruchnahme die Bildung einer Rückstellung im Einzelunternehmen zulässig.
Zu beachten ist, dass der Kläger nicht als Geschäftsführer der GmbH in Haftung genommen wurde, was wohl auch möglich gewesen wäre, sondern als deren beherrschender Gesellschafter. Ob das OLG diese zivilrechtliche Haftung allein auf § 826 BGB gestützt hat oder auch – wie der Kläger meint – auf die Haftungsregeln zum qualifiziert faktischen Konzern, ist dabei für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich. Denn die betriebliche Veranlassung der Schadensersatzverpflichtung ist in jedem Fall gegeben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.03.2003, XI R 52/01