Leitsatz
- Für die Pflicht zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i.H.d. voraussichtlich zur Erfüllung der Aufbewahrungspflicht erforderlichen Kosten zu bilden (Anschluss an BFH, Urteil v. 19.8.2002, VIII R 30/01, BFH/NV 2002 S. 1662).
- Für die Berechnung der Rückstellung sind nur diejenigen Unterlagen zu berücksichtigen, die zum betreffenden Bilanzstichtag entstanden sind.
- Die voraussichtliche Aufbewahrungsdauer bemisst sich grundsätzlich nach § 147 Abs. 3 Satz 1 AO. Wer sich auf eine voraussichtliche Verlängerung der Aufbewahrungsfrist beruft, hat die tatsächlichen Voraussetzungen dafür darzulegen.
Sachverhalt
K betreibt eine Apotheke. Für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen bildete er eine Rückstellung, wobei er den jährlichen Gesamtaufwand mit 10 multiplizierte. Unstreitig sind alle Unterlagen 10 Jahre aufzubewahren. Finanzamt und FG gingen von einer durchschnittlichen Restaufbewahrungsdauer von 5,5 Jahren aus. K hielt dem entgegen, die Frist beginne für einen Großteil der Unterlagen frühestens zum Ende des Folgejahrs, vereinzelt sogar zum Ende des übernächsten Kalenderjahrs. Zudem könnten sich über die
§§ 170, 171 AO erhebliche Fristverlängerungen ergeben. Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
Unstreitig ist die Rückstellung als Sachleistungsverpflichtung mit Einzel- und angemessenen Teilen notwendiger Gemeinkosten zu bewerten. Sie kann laut BMF nach 2 Methoden berechnet werden:
- Zunächst werden jährliche Kosten für die Aufbewahrung der Unterlagen ermittelt. Dieser Betrag ist dann jeweils mit der Zahl der Jahre bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu multiplizieren.
- Alternativ können die jährlich anfallenden rückstellungsfähigen Kosten für einen der Aufbewahrung aller Unterlagen dienenden Archivraum mit 5,5 multipliziert werden.
Der X. Senat hat dieses Vorgehen im Ergebnis gebilligt und folgende Grundsätze aufgestellt:
- Es wird nicht berücksichtigt, dass auszusondernde Unterlagen voraussichtlich durch neue Unterlagen späterer Jahre ersetzt werden und damit kein Stauraum frei wird.
- Für die während des Jahrs entstehenden Aufzeichnungen und Buchungsbelege beginnt die Aufbewahrungsfrist mit dem Bilanzstichtag des Kalenderjahrs, zu dem sie gehören.
- Entstehen aufzubewahrende Unterlagen, z.B. Inventar und Jahresabschluss, erst nach dem Bilanzstichtag, beginnt die Aufbewahrungsfrist später. Die Aufbewahrung dieser Unterlagen ist jedoch nicht bis zum Bilanzstichtag veranlasst und bleibt daher für die Berechnung der Rückstellung außer Betracht.
- Eine etwaige Verlängerung der Aufbewahrungsfrist nach § 147 Abs. 3 Satz 3 AO ist nicht zu berücksichtigen. Die abstrakte Möglichkeit, dass sich die Festsetzungsfrist künftig verlängert, genügt nicht; vielmehr kann eine Hemmung des Laufs der Aufbewahrungsfrist nur berücksichtigt werden, wenn und soweit dies zum Bilanzstichtag vorhersehbar ist.
Link zur Entscheidung
BFH, 18.1.2011, X R 14/09.