Leitsatz

Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung sind dann unzulässig, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung vermutet wird, dass ein Auskunftsersuchen möglicherweise zur Aufdeckung unbekannter Steuerfälle führen wird, um somit das Ersuchen als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Auch dann, wenn die Bank (B) Einkünfte aus dem Bezug von Bonusaktien, wie hier der Deutschen Telekom, in den den Kunden übersandten Ertragsaufstellungen zwar nicht erfasst, jedoch ihre Kunden auf die (mutmaßliche) Einkommensteuerpflicht derartiger Einkünfte klar und unmissverständlich hingewiesen hat.

 

Sachverhalt

Die B teilt ihren Kunden aus dem sog. II. und III. Börsengang der Telekom Bonusaktien zu. B wies die Erträge jedoch in ihrer Erträgnisaufstellung für 2000 nicht aus. Die Kunden wurden von B dennoch mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Einkünfte nach Auffassung der Finanzverwaltung der (mutmaßlichen) Einkommensteuerpflicht unterlägen. Nach dem Urteil des BFH v. 7.12.2004, VIII R 70/02, hat die Zuteilung von Bonusaktien der Telekom zu versteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen geführt. Die Erträgnisaufstellungen für 2002 waren ähnlich gestaltet. Nachdem zunächst lediglich in einem Fall festgestellt wurde, dass der Kunde seine Einkünfte aus der Zuteilung von Treueaktien nicht in seiner Steuererklärung 2000 erklärt hatte, wurden im Ergebnis sich hierzu daran anschließender Prüfungen der Steuerfahndung bei zwei Banken an die Veranlagungs-Finanzämter 1500 bis 2000 Kontrollmitteilungen übermittelt. Im August 2006 forderte die Steuerfahndung die B auf, die Daten der Depotinhaber mit bezogenen Treuaktien der Telekom aus den Tranchen II und III und mit Wohn- und/oder Geschäftssitz im Freistaat Sachsen mitzuteilen. Das FG hob das Ersuchen des Finanzamts auf.

Nach Auffassung des BFH ist das Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung an die B unzulässig. Die vom Finanzamt eingelegte Revision wurde daher als unbegründet zurückgewiesen. Eine allgemein auf Lebenserfahrung beruhende Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erklärt werden, reicht als hinreichender Anlass für die Prognose, dass mit einem Sammelauskunftsersuchen die erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, unbekannte Steuerfälle, hier hinsichtlich der von B zugeteilten Bonusaktien, aufzudecken, nicht aus. Der BFH hat die Zulässigkeit des Auskunftsersuchens i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zwar bejaht. Sammelauskunftsersuchen dürfen sich jedoch nicht lediglich als bloße "Ausforschung", als Rasterfahndung oder Ermittlung "ins Blaue hinein" darstellen (nicht gedeckt durch § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO). Dass die B die Bonusaktien in der Erträgnisaufstellung nicht berücksichtigt und nur im Anschreiben an die Kunden auf die mögliche Einkommenssteuerpflicht hingewiesen hat, ist keine besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung, die mehr als bei Kapitaleinkünften aus Wertpapierdepots sonst dazu verleitet, derartige Einkünfte dem Finanzamt nicht zu erklären. Eine Signifikanz für eine erhöhte Anfälligkeit von Kunden bestimmter Banken und Territorien, wie hier die Kunden der B in Sachsen, für Steuerhinterziehung lässt sich nicht herleiten.

 

Hinweis

Verschweigt der Depotinhaber, trotz hinreichender Hinweise der Bank auf die Einkommensteuerpflicht, in der Anlage KAP die sonstigen Bezüge, wie z.B. Zuteilungen von Bonusaktien, begeht er die Steuerhinterziehung vorsätzlich. Darauf hat der BFH noch einmal marginal hingewiesen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 16.1.2009, VII R 25/08.

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