Leitsatz (amtlich)

Gehören einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Bundesrepublik mehr als 25 % der stimmberechtigten Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, sind die Anteile in der Bundesrepublik von der Besteuerung auszunehmen.

 

Sachverhalt

An den streitigen Feststellungszeitpunkten 1.1.1983 bis 1.1.1985 war die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, zu 100 % an der X-B.V mit Sitz in den Niederlanden beteiligt. Geschäftszwecke der X-B.V. sind die Beteiligung an anderen Unternehmen, die Führung und Finanzierung anderer Gesellschaften, das Factoring sowie die Darlehensgewährung. Die X-B.V. hatte 1982 die Y-N.V., niederländische Antillen, gegründet, die außerhalb der Bundesrepublik Finanzmittel für langfristige Finanzierungen anderer zur X-Gruppe gehörender ausländischer Gesellschaften besorgen sollte. Die Klägerin begehrte, die Beteiligungen wegen eines nach dem DBA-Niederlande vom 16.6.1959[1] bestehenden Schachtelprivilegs von der deutschen Vermögensbesteuerung auszunehmen. Das Finanzamt lehnte dies ab. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab[2]. Die Revision hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. c DBA-Niederlande folgt das Recht der Besteuerung des einem gewerblichen Unternehmen dienenden Vermögens dem Recht der Besteuerung der Einkünfte aus diesem Vermögen. Daraus ergibt sich für die zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörende Beteiligung an der X-B.V. ein Besteuerungsrecht sowohl der Bundesrepublik als auch der Niederlande. Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Niederlande hat der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für Dividenden, die eine Person aus dem anderen Staat bezieht. Nach Abs. 2 der Vorschrift bleibt jedoch das Recht des anderen Staates, die Steuer von Kapitalerträgen im Abzugswege (an der Quelle) zu erheben, unberührt. Es wird lediglich durch Art. 13 Abs. 3 und 4 DBA-Niederlande der Höhe nach begrenzt, wobei in Abs. 4 für Schachtelbeteiligungen von mindestens 25 % eine niedrigere Grenze vorgeschrieben wird. Dieses Besteuerungsrecht des Quellenstaates steht rechtssystematisch neben dem uneingeschränkten Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates nach Abs. 1 der Vorschrift.

Nach Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande darf grundsätzlich der andere Staat die Einkünfte oder Vermögensteile nicht besteuern, für die der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht hat. Das Recht des anderen Staates zum Quellensteuerabzug soll allerdings unberührt bleiben. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Niederlande sieht vor, dass der deutsche Fiskus die Einkünfte oder Vermögensteile aus der Bemessungsgrundlage ausnimmt, für die die Niederlande ein Besteuerungsrecht haben. Satz 2 ermöglicht ihm lediglich, diese Einkünfte oder Vermögensteile beim Steuertarif zu berücksichtigen. Die in den Sätzen 1 und 2 des Art. 20 Abs. 2 DBA-Niederlande angeordneten Rechtsfolgen haben nicht zur Voraussetzung, dass das Besteuerungsrecht ausschließlich entweder dem einen oder dem anderen Vertragsstaat zusteht. Dies wäre im unmittelbaren Anschluss daran, dass in Abs. 1 Satz 2 dem möglichen Nebeneinander von Besteuerungsrechten beider Vertragsstaaten noch eigens Rechnung getragen worden ist, auch unverständlich. Zutreffend ist daher in Abs. 2 Satz 1 nicht von dem Besteuerungsrecht der Niederlande, sondern von einem Besteuerungsrecht die Rede. Der deutsche Fiskus hat gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Niederlande nicht nur die Einkünfte oder Vermögensteile aus der Bemessungsgrundlage auszunehmen, für die den Niederlanden das ausschließliche Besteuerungsrecht zusteht, sondern auch solche Einkünfte und Vermögensteile, für die an sich beide Vertragsstaaten ein Besteuerungsrecht hätten. Dies wird durch Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Niederlande bestätigt. Dort wird noch einmal ausdrücklich auf das gemäß Abs. 1 Satz 2 unberührt bleibende Recht des anderen Vertragsstaates zum Quellensteuerabzug eingegangen und angeordnet, dass abweichend von Abs. 2 Satz 1 keine Herausnahme aus der Bemessungsgrundlage zu erfolgen hat. Da dies ausdrücklich als Ausnahme von Abs. 2 Satz 1 verstanden wird, muss das Recht der Niederlande zum Quellensteuerabzug zunächst einmal unter die in Abs. 2 Satz 1 angesprochenen Besteuerungsrechte der Niederlande gefallen sein.

Wenn nunmehr Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Niederlande als Ausnahme von der Ausnahme zu Abs. 2 Satz 1 vorsieht, dass es in den Fällen des Art. 13 Abs. 4 DBA-Niederlande - also in den Fällen einer Schachtelbeteiligung - bei der Grundregel bleibt, wonach die Bemessungsgrundlage insoweit zu kürzen ist, als sie auch von den Niederlanden besteuert werden darf, bedeutet dies, dass der deutsche Fiskus Schachtelbeteiligungen an Gesellschaften in den Niederlanden nicht mit deutscher Vermögensteuer belegen darf. Unerheblich ist, dass in den Niederlanden auf die Beteiligung der Klägerin an der X-B.V keine Vermögensteuer erhoben wird. Das DBA-Niederlande will bereits eine potenzielle Doppelbesteuerung vermeiden.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 12.6.2002 – II R 4/00

[1] BStBl I1960, S. 382

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?