Interessenkonflikt
Will der Erbe nach Eintritt des Erbfalls den Nachlass an sich nehmen, ergeben sich bei Bankeinlagen häufig Probleme: Wie ist der Erbnachweis zu führen? Das Kreditinstitut will nicht durch Auszahlung an den Falschen letztlich doppelt in Anspruch genommen werden und verlangt sicherheitshalber die Vorlage eines Erbscheines. Der Erbe seinerseits möchte dies aus Zeit- und Kostengründen vermeiden und verweist zum Nachweis seiner Erbenstellung auf ein Testament des Erblassers. Für diesen Interessenkonflikt hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt ein klärendes Wort gesprochen.
Eindeutige Regelung?
Die Erblasserin hatte 1988 gemeinsam mit ihrem im Jahr 2001 verstorbenen Ehemann ein handschriftliches Testament errichtet. Darin heißt es auszugsweise:
Zitat
Die endunterzeichneten Ehegatten (…) setzen sich gegenseitig als Erben ein. (..)
Nach dem Ableben des letzten von uns geht das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen auf unsere beiden aus unserer ehelichen Verbindung geborenen Kinder … über. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt eines unserer Kinder durch Tod schon aus der Erbfolge ausgeschieden sein, werden diese Rechte an die Kinder unserer Kinder weitergegeben. Unsere Enkelkinder bzw. deren Kinder sind gemäß der gesetzlichen Erbfolge unsere Erben.
Fordert beim Tode des Erstverstorbenen eines unserer Kinder sein Pflichtteil, soll es auch beim Tode des Letztverstorbenen nur den Pflichtteil erhalten (…).
Nach ihrem Tod forderten die beiden als Erben eingesetzten Töchter die Bank, bei der die Mutter mehrere Sparkonten unterhalten hatte, unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls zur Freigabe dieser Konten auf. Die Bank lehnte dies mit der Begründung ab, dass in dem Testament nicht ein Erbe, sondern ein Vermächtnisnehmer genannt sei und sie deshalb die Vorlage eines Erbscheins verlangen müsse. Sie werde das handschriftliche Testament anerkennen, wenn das Gericht bestätige, dass in dem Testament 2 Erben genannt seien. Daraufhin erwirkten die Töchter bei Gericht die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wonach sie zu je 1/2-Anteil Erben nach ihrer Mutter sind und für den sie 1.770 EUR verauslagen mussten. Eine Übernahme dieser Kosten lehnte die Bank ab. Die Schadensersatzklage der Töchter gegen die Bank hatte auch letztinstanzlich Erfolg.
Bank trägt Kosten des Erbscheins
Der BGH befand: Der Erbe kann sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist. Zwar komme dem privatschriftlichen Testament aufgrund fehlender Vermutungswirkung eine geringere Nachweiskraft zu. Auch bestehe ein berechtigtes Interesse der Bank, durch Anwendung der §§ 2366, 2367 BGB vor einer doppelten Inanspruchnahme verschont zu werden. Doch dem stehe das Interesse des Erben gegenüber, den Nachlass rasch und kostengünstig abzuwickeln. Stets müsse hier ein angemessener Ausgleich im Einzelfall gesucht werden. Hier war ausschlaggebend, dass der Wortlaut des Testaments bereits keinen Zweifel am Willen der Erblasser zur Erbeinsetzung ließ. Der Einwand der Bank, es könne sich um ein Vermächtnis gehandelt haben, fand kein Gehör.
Viele Möglichkeiten
Hinweis: Die "Stufenleiter" des Erbnachweises sieht an erster Stelle den Erbschein, der mit seinen in §§ 2366, 2367 BGB aufgelisteten Wirkungen für den Rechtsverkehr den "stärksten" Nachweis entfaltet. Einen vergleichbaren gesetzten Rechtsschein vermitteln das Testamentsvollstreckerzeugnis und neuerdings auch das Europäische Nachlasszeugnis. Als nahezu gleichwertiger Nachweis werden ein notarielles Testament bzw. ein Erbvertrag, die eine Rechtsnachfolge von Todes wegen enthalten und nebst Eröffnungsniederschrift (§ 348 FamFG) vorgelegt werden, angesehen (§ 35 GBO). Den schwächsten Nachweis bietet das eröffnete privatschriftliche Testament mit den vom BGH nun aufgezeigten Möglichkeiten. Helfen kann im Übrigen eine Haftungsfreistellungsvereinbarung. Vermeiden lassen sich Risiken und Verzögerungen bei der Abwicklung von Bankkonten stets auch durch eine lebzeitig erteilte postmortale Vollmacht.
(BGH, Urteil v. 5.4.2016, XI ZR 440/15, NJW 2016 S. 2409 mit Anm. Kroiß = ZEV 2016 S. 320 mit Anm. Bredemeyer)