Leitsatz (amtlich)

Der Antrag auf Erhebung eines nicht erheblichen Zeugenbeweises enthält den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

Sachverhalt

Wegen verspäteter Abgabe der ESt-Erklärung wurde gegen die Kläger (Eheleute) ein Verspätungszuschlag von 150 DM festgesetzt. Das FG entschied gemäß § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung und wies die Klage als unbegründet ab. Mit der Revision rügten die Kläger Verletzung des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Ausweislich der Klageschrift sei eine Zeugenvernehmung beantragt worden, was zwangsläufig den Antrag auf mündliche Verhandlung beinhalte. Für die Anwendung des § 94a FGO komme es allein auf den Willen der Kläger an und nicht darauf, was möglicherweise das FG im weiteren Verfahren entschieden hätte. Die Revision hatte Erfolg. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Kläger waren im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten[1]. Gemäß § 94a Satz 2 FGO muss auch in den Fällen, in denen der Streitwert bei einer auf eine Geldleistung gerichteten Klage 1 000 DM nicht übersteigt, auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden. Der Antrag auf mündliche Verhandlung kann ausdrücklich gestellt werden, er kann sich aber auch konkludent aus schriftlichen Äußerungen der Beteiligten ergeben[2]. Sowohl in der Absichtserklärung eines Klägers, den Steuerbetrag noch in einer mündlichen Verhandlung bestimmen zu wollen, liegt ein Antrag auf mündliche Verhandlung, als auch in der Äußerung, es sei beabsichtigt, in der mündlichen Verhandlung näher bezeichnete Anträge zu stellen, oder in der Erklärung, zunächst auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu verzichten[3]. Mündliche Verhandlung ist hingegen nicht beantragt, wenn sich der Klägervertreter auf die Frage, ob auf mündliche Verhandlung verzichtet werde, überhaupt nicht äußert[4].

Im Streitfall haben die Kläger die Vernehmung von Zeugen beantragt. Mit diesem Antrag haben sie hinreichend klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass eine mündliche Verhandlung stattfinden soll. Entgegen der Auffassung des Finanzamts kommt es nicht darauf an, ob das FG dem Antrag auf Beweiserhebung hätte entsprechen müssen. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, wird durch die Unerheblichkeit des beantragten Zeugenbeweises der mit diesem Antrag verbundene Antrag auf mündliche Verhandlung nicht berührt. Das FG durfte daher nicht davon ausgehen, dass die Kläger nicht auf einer mündlichen Verhandlung bestanden. Für den Fall, dass das FG Zweifel an dem Erklärungswert der klägerischen Äußerung gehabt haben sollte, hätte es wegen des besonderen Rechtswertes der mündlichen Verhandlung Rückfrage bei den Klägern halten müssen[5].

Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, obwohl nach § 94a Satz 2 FGO ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt war, so ist ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 4 FGO gegeben[6].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 22.9.1999 - XI R 24/99

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