Leitsatz (amtlich)

Es ist ernstlich zweifelhaft,

  • ob sich Vorsteuerrückforderungsansprüche nach § 17 UStG unabhängig von ihrem Begründungs- und Entstehungszeitpunkt gegen den (ehemaligen) Organträger richten, dem der Vorsteuerabzug zustand oder
  • ob nicht entscheidend auf den Zeitpunkt des die Rückforderung auslösenden Ereignisses (hier: die Uneinbringlichkeit der von der ehemaligen Organgesellschaft geschuldeten Entgelte) abzustellen ist.
 

Sachverhalt

In der Hauptsache ist streitig, ob sich der Anspruch des Finanzamts aus einer Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG 1999 gegen den Antragsteller als früheren Organträger richtet. Der Antragsteller war ursprünglich an der E-GmbH beteiligt, die wiederum an der B-GmbH beteiligt war. Mit notariellem Vertrag vom 21.12.1999 verkaufte der Antragsteller seinen Geschäftsanteil an der E-GmbH. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass dadurch deren bis dahin bestehende Eingliederung in das Unternehmen des Antragstellers ebenso wegfiel wie die - mittelbar - über die E-GmbH bestehende Eingliederung der B-GmbH. Diese stellte am 2.2.2000 beim AG einen Antrag auf Durchführung des Insolvenzverfahrens, der zwischenzeitlich mangels Masse abgelehnt wurde. Im Rahmen einer USt-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume 12/1999 und 2/2000 wurden offene Verbindlichkeiten der B-GmbH von 3 902 968 DM mit darin enthaltener Vorsteuer von 538 340 DM festgestellt. Abzüglich der Vorsteuerbeträge für den Zeitraum 21.12.1999 bis 31.1.2000 ergab sich ein Korrekturbetrag von 469 439 DM, den das Finanzamt - nach Verrechnung mit einem vorangemeldeten Vorsteuerbetrag -mit Bescheid vom 5.6.2000 über die Festsetzung der USt-Vorauszahlung für 2/2000 gegenüber dem Antragsteller als Organträger geltend machte. Der Antragsteller legte gegen den Vorauszahlungsbescheid Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung des Bescheids. Sowohl Finanzamt als auch FG lehnten den Antrag ab, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids bestünden. Die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel hinsichtlich der Frage, ob sich der Anspruch aus der Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG gegen den Antragsteller als früheren Organträger oder gegen die B-GmbH richtet.

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG hat bei Änderung der Bemessungsgrundlage der Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür vorgesehenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Diese Regelung gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Es ist gesetzlich nicht geregelt, ob dieser Rückforderungsanspruch im Falle der Beendigung einer Organschaft gegen den (ehemaligen) Organträger oder die (nunmehr selbständige) Organgesellschaft besteht, wenn deren Leistungsbezüge während des Bestehens der Organschaft betroffen sind. Die Rechtslage ist insoweit nicht eindeutig. Der BFH hat zwar bereits entschieden, dass sich der Vorsteuerrückforderungsanspruch auch dann gegen den Organträger richtet, wenn der Anspruch auf der Uneinbringlichkeit der Entgelte infolge einer Konkurseröffnung bei der Organgesellschaft beruht und damit erst nach Eröffnung des Konkurses entsteht[1]. Im Unterschied dazu ist die Uneinbringlichkeit der betreffenden Forderungen im Streitfall erst nach Beendigung der Organschaft eingetreten. Weitergehend wird vertreten, dass sich Vorsteuerrückforderungsansprüche nach § 17 UStG unabhängig von ihrem Begründungs- und Entstehungszeitpunkt gegen den (ehemaligen) Organträger richten, dem der Vorsteuerabzug zustand[2]. Andererseits sollen sich Vorsteuerberichtigungsansprüche nach § 15a UStG für Wirtschaftsgüter der Organgesellschaft, die noch zu Zeiten der Organschaft angeschafft oder hergestellt wurden, auch dann gegen die Organgesellschaft richten, wenn der erstmalige Vorsteuerabzug nach § 15 UStG dem Organträger zugestanden hat[3]; es erscheint aber zweifelhaft, ob eine derartige unterschiedliche Behandlung von Vorsteuerberichtigungsansprüchen nach § 17 UStG und § 15a UStG sachlich gerechtfertigt ist. Erhebliche Bedenken bestünden auch gegen die Ansicht, Vorsteuerberichtigungsansprüche nach § 17 UStG zugunsten des Unternehmers stünden dem Organträger und nicht der Organgesellschaft zu, wenn die vorsteuerbelasteten Leistungen von der Organgesellschaft zwar vor Beendigung der Organschaft bezogen wurden, das die Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG auslösende Ereignis aber erst nach Beendigung der Organschaft eintrat. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob nicht auch beim Vorsteuerrückforderungsanspruch nach § 17 UStG entscheidend auf den Zeitpunkt des die Rückforderung auslösenden Ereignisses (hier: die Uneinbringlichkeit der von der B-GmbH geschuldeten Entgelte) abzustellen ist[4].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Beschluss vom 6.6.2002 – V B 110/01

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