Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Darlehenszinsen sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige die – gesondert ausgewiesenen – Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteils tatsächlich mit den Darlehensmitteln begleicht. Nimmt er ein höheres Darlehen auf, sind die Zinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten des betreffenden Gebäudeteils aus den Darlehensmitteln zahlt.
Sachverhalt
A und B werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. A erwarb 1990 ein Wohn- und Praxisgebäude für 449000DM. Hiervon entfielen laut Kaufvertrag 40% (179600DM) auf die von A an B als Arztpraxis vermieteten Räume und 60% (269400DM) auf den zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil. Im Zusammenhang mit dem Gebäudeerwerb nahm A drei Darlehen auf: das Darlehen 1 über 206000DM, das Darlehen 2 über 200000DM und das Darlehen 3 über 43000DM. Die Darlehen 2 und 3 "ordnete" A allein dem privat genutzten Gebäudeteil zu und tilgte sie bis Februar 1991 vollständig. Das Darlehen 1 "ordnete" er überwiegend den Praxisräumen zu und führte es bis Mai 1991 auf 125000DM zurück. In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 1991 bis 1993 machten die Kläger die für das Darlehen 1 gezahlten Zinsen in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, während das Finanzamt nur 40% davon berücksichtigte. Nach Auffassung des FG scheitere die grundsätzlich mögliche Zuordnung daran, dass die Darlehenssumme (206000DM) die Anschaffungskosten der Praxisräume (179600DM) übersteige; das Darlehen müsse damit auch der Finanzierung der Wohnräume gedient haben, so dass keine eindeutige Zuordnungsentscheidung des A gegeben sei.
Entscheidung
Der IX. Senat folgte dieser Auffassung nicht und verwies die Sache an das FG zurück. In vollem Umfang können Schuldzinsen bei einem gemischt genutzten Grundstück nur berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten den eigenständige Wirtschaftsgüter bildenden Gebäudeteilen zuordnet und die dem vermieteten Gebäudeteil gesondert zugeordneten Anschaffungskosten auch tatsächlich mit Darlehensmitteln bezahlt. Dies setzt zunächst voraus, dass A – wie auch geschehen – den zivilrechtlich einheitlichen Kaufpreis auf den selbstgenutzten und den zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudeteil aufteilt. Darüber hinaus muss er das zur Finanzierung aufgenommene Darlehen mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt dem der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil zuordnen, indem er mit den als Darlehen empfangenen Mitteln die auf diesen Gebäudeteil entfallenden Anschaffungskosten tatsächlich bezahlt. Der Zuordnungszusammenhang ist unterbrochen, wenn das Auszahlungsverhalten des Steuerpflichtigen mit seiner Zurechnungsentscheidung nicht übereinstimmt. Denn der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Darlehenszinsen und Anschaffungskosten kann nicht allein durch einen bloßen Willensakt des Steuerpflichtigen in Form der Zweckbestimmung begründet werden. Allein wegen der mangelnden Übereinstimmung von Darlehenssumme und Anschaffungskosten der Praxisräume kann man die Möglichkeit der Zuordnung nicht verneinen. Diese ist – zumindest teilweise – auch dann gegeben, wenn A aus den Mitteln des Darlehens 1 einen den Anschaffungskosten entsprechenden Betrag tatsächlich gesondert gezahlt hat. Trifft dies zu, sind die auf den so verwendeten Teil des Darlehens 1 entfallenden Zinsen (mit diesem Anteil) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Diese Feststellungen muss das FG nachholen.
Praxishinweis
Mit dieser Entscheidung hat der BFH seine Grundsätze zur Darlehenszuordnung bei gemischt genutzten Grundstücken nochmals klar gestellt. Es kommt allein darauf an, mit welchen Mitteln welcher Grundstücksteil tatsächlich gezahlt wird. Hierbei ist zu beachten, dass für den Erwerb des zu vermietenden Gebäudeteils bestimmte Darlehen nicht mit anderen Darlehen auf einem Finanzierungs-Kontokorrentkonto zusammenfließen. Das würde den Zusammenhang unterbrechen.
Bei der Aufteilung der Anschaffungskosten folgen die Gerichte in der Regel den Vereinbarungen laut Kaufvertrag. Hier besteht jedoch eine Gestaltungsgrenze. Da eine derartige Aufteilung dem Verkäufer relativ gleichgültig sein wird, ihn interessiert schließlich nur der Gesamtkaufpreis für das Grundstück, besteht kein realer Interessensgegensatz. Das Finanzamt kann die Aufteilung daher auf Plausibilität überprüfen. Kritisch wird es, wenn die vertragliche Aufteilung sich erheblich von den Wert- oder Flächenverhältnissen entfernt.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 1.3.2005, IX R 58/03