Leitsatz

Die Versagung des Sonderausgabenabzugs nach §10 Abs.1 Nr.9 EStG für das an ein britisches College gezahlte Schulgeld verletzt jedenfalls dann nicht das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot, wenn die Höhe des Schulgeldes eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern fördert und es deshalb auch beim Besuch einer inländischen Schule steuerlich nicht berücksichtigt werden könnte.

 

Sachverhalt

Der 1978 geborene Sohn der Kläger besuchte im Streitjahr 1998 das Bellerbys College in Hove, Großbritannien. Das Schulgeld betrug 43230DM. Daneben fielen Kosten für die Unterbringung an. Das Finanzamt versagte den Abzug von 30% des Schulgeldes als Sonderausgabe. Das FG wies die Klage ab. Die Kläger rügen im Revisionsverfahren, §10 Abs.1 Nr.9 EStG verstoße gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot, und beantragen das Verfahren dem EuGH vorzulegen.

 

Entscheidung

Der BFH hielt eine Vorabentscheidung durch den EuGH nicht für erforderlich, da Fragen über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht i.S. des Art.234 Abs.1 Buchst.a EGV im Streitfall nicht entscheidungserheblich waren. Er entschied in eigener Zuständigkeit und wies die Revision der Eltern als unbegründet zurück. Wäre das Schulgeld für den Besuch einer vergleichbaren inländischen Schule gezahlt worden, hätten die Eltern es ebenfalls nicht nach §10 Abs.1 Nr.9 EStG abziehen können. Einer vergleichbaren inländischen Privatschule hätte nämlich nach materiellem inländischen Recht die für den Sonderausgabenabzug erforderliche staatliche Genehmigung nicht erteilt werden dürfen. Denn bei Schulgeldzahlungen von ca. 3600DM monatlich wäre eine solche Schule nicht mehr allgemein zugänglich. Eine staatliche Genehmigung würde damit gegen den Grundsatz des Art.7 Abs.4 Satz3 GG verstoßen, dass eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert werden darf.

 

Praxishinweis

Ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot setzt laut EuGH voraus, dass ein ausländischer Angehöriger eines Mitgliedstaats oder ein Inländer steuerlich benachteiligt wird, weil er von den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten Gebrauch gemacht hat. Eine Benachteiligung liegt aber – wie im Besprechungsurteil – dann nicht vor, wenn die steuerliche Berücksichtigung eines Teils des Schulgeldes auch beim Besuch einer vergleichbaren inländischen Schule hätte versagt werden müssen. Die abstrakte Frage, ob §10 Abs.1 Nr.9 EStG gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, stellte sich damit in diesem Verfahren nicht. Die EU-Kommission hat hingegen im Januar 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme nach Art.226 EGV an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet, worin sie die generelle Versagung des Sonderausgabenabzugs nach §10 Abs.1 Nr.9 EStG von Schulgeldzahlungen für einen Schulbesuch im Ausland als unvereinbar mit EG-Recht hält. Die Kommission sieht darin einen Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit[1]. Im Gegensatz dazu hat der X. Senat den Abzug von Schulgeldzahlungen in Großbritannien für das Jahr 1992 abgelehnt und darin keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht gesehen[2]. Möglicherweise wird der EuGH die streitige Frage demnächst beantworten. Das FG Köln[3] hat dem Gericht diese Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 14.12.2004, XI R 66/03

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