Leitsatz (amtlich)

Auch einen sog. Generationenbetrieb muss der Steuerpflichtige mit Gewinnerzielungsabsicht bewirtschaften, anderenfalls Liebhaberei vorliegt. Handelt der Rechtsnachfolger in einem Liebhabereibetrieb wieder mit Gewinnerzielungsabsicht, so sind die von ihm erzielten Verluste als Anfangsverluste eines neu eröffneten Betriebs anzuerkennen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Alleinerbin der 1995 verstorbenen X, die ein Weingut betrieb. In den Streitjahren 1985 bis 1991 betrug das zu versteuernde Einkommen der X - ohne Ansatz der Verluste aus dem Weingut - mehrere 100000 bis mehrere Mio. DM. Die Einkünfte aus dem Weingut bestanden in den Wirtschaftsjahren 1967/68 bis 1994/95 mit Ausnahme von drei Jahren aus Verlusten zwischen 14 000 DM und 460 000 DM jährlich, insgesamt 3,8 Mio. DM. Ein landwirtschaftlicher Sachverständiger kam im Oktober 1990 zum Ergebnis, dass der Betrieb einen jährlichen Reingewinn von ca. 79 000 DM erwirtschaften und damit eine Kapitalverzinsung von 4,6 % erzielen könne. Das Gutachten enthält keine Ermittlung des Totalgewinns. Das Finanzamt verneinte für die Streitjahre die Gewinnerzielungsabsicht. Klage[1] und Revision der Klägerin blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Nach den Feststellungen des FG war der Betrieb des Weinguts unter der Führung von X von einer durchgehenden Verlustperiode geprägt, wobei die in drei Wirtschaftsjahren insgesamt erzielten Gewinne von rd. 63 000 DM angesichts des in den 28 Wirtschaftsjahren von 1967/68 bis 1994/95 erzielten Gesamtverlusts von ca. 3,8 Mio. DM nichts ins Gewicht fallen. Die am 1.7.1985 vorhandenen stillen Reserven reichten nicht annähernd aus, die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Verluste zu kompensieren. Das FG hat daher zu Recht die nachhaltigen Verluste als sicheres Beweisanzeichen für mangelnde Gewinnerzielungsabsicht in den Streitjahren beurteilt.

Für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht können entscheidende Schlüsse auch daraus gezogen werden, wie X auf die längere Zeit hindurch erwirtschafteten Verluste reagiert hat[2]. Dazu hat das FG festgestellt, dass X auf die nachhaltigen Verluste nicht reagiert habe. Es hat daraus zu Recht gefolgert, dass Dauer und Umfang der erzielten Verluste das entscheidende Kriterium bei der Gesamtbeurteilung der Gewinnerzielungsabsicht sind[3]. Die Klägerin hat hiergegen eingewandt, dass bei einem Generationenbetrieb, wie hier, von einer längeren, mehrere Generationen einbeziehenden Totalgewinnperiode auszugehen sei. Derartige Betriebe gingen ohne Veräußerung oder Aufgabe auf einen Rechtsnachfolger über, so dass auch die während einer Generation erwirtschafteten Verluste durch Gewinne der nächsten Generation kompensiert würden und letztlich zur Erzielung eines Totalgewinns führen könnten. Auch der Senat meint, dass die Totalgewinnperiode bei einem landwirtschaftlichen Betrieb mehr als nur eine Generation umfassen muss. Allerdings entbindet diese objektive Sicht der Totalgewinnperiode nicht von einer Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht, die notwendigerweise auf den einzelnen Steuerpflichtigen bezogen ist. Nach Auffassung des Senats ist eine längere Totalgewinnperiode bestimmter Betriebe danach nur als Grundlage für die erforderliche Totalgewinnprognose geeignet, für die die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten. Eine längere Totalgewinnperiode ermöglicht es also, die Verhältnisse vergangener Zeiträume zu berücksichtigen. Das FG hat daher im Streitfall zu Recht alle von X seit dem Wirtschaftsjahr 1967/68 erzielten Verluste in die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht einbezogen.

Gelingt allerdings der Klägerin in den folgenden Veranlagungszeiträumen der Nachweis, dass sie den Betrieb ab dessen Übernahme im Jahr 1995 mit Gewinnerzielungsabsicht geführt hat, dann können die von ihr erzielten Verluste u.U. als (neuerliche) Anlaufverluste anerkannt werden. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, haben die dargelegten zahlreichen Aktivitäten der Klägerin für die Beurteilung der Streitjahre allerdings keine Bedeutung. Zu Unrecht hat die Klägerin schließlich eingewandt, das FG habe die einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motive der X nur unzureichend untersucht; denn ein Weingut sei kein typischer Liebhabereibetrieb. Der Umstand, dass ein Landwirt, dem keine laufenden Geldzuflüsse von außen für den Betrieb zur Verfügung stehen, diesen wegen andauernder hoher Verluste nicht über einen längeren Zeitraum geführt hätte und hätte führen können, während dies einem Steuerpflichtigen möglich ist, der über andere Geldmittel verfügt, bringt regelmäßig eine vom wirtschaftlichen Erfolg unabhängige persönliche Passion einer gehobenen Lebenshaltung zum Ausdruck[4].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 24.8.2000 – IV R 46/99

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