Leitsatz

  1. Die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze von bisher 25% auf 10% in §17 Abs.1 Satz4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 und die damit verbundene Erfassung von in der Vergangenheit gebildeten stillen Reserven ist jedenfalls dann verfassungsgemäß, wenn die Veräußerung erst nach dem Gesetzesbeschluss im Bundestag am 4.3.1999 vorgenommen worden ist.
  2. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gem. §17 Abs.2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sind als Anschaffungskosten die historischen Anschaffungskosten und nicht der gemeine Wert der Anteile am 1.1.1999 anzusetzen.
 

Sachverhalt

K war seit dem 26.3.1996 mit 30000DM am Stammkapital der C-GmbH von 150000DM beteiligt. Die Beteiligung hielt er im Privatvermögen. Am 11.3.1999 veräußerte K einen Teilgeschäftsanteil von 15100DM für 1510000DM an die ebenfalls an der C-GmbH beteiligte V-KG. Die Abtretung des Geschäftsanteils sollte zum 31.3.1999, 23:00Uhr erfolgen. Die dingliche Übereignung war jedoch vom Eintritt mehrerer aufschiebender Bedingungen abhängig, die bis zum 30.4.1999 erfüllt wurden. Hinsichtlich des Gewinnbezugsrechts wurde vereinbart, dass K und die V-KG am Gewinn der C-GmbH bis zum 31.3.1999 nach dem bisherigen Anteilsverhältnis beteiligt sind, unabhängig davon, ob die bis dahin vereinbarten aufschiebenden Bedingungen eingetreten sind.

Das Finanzamt erfasste einen Veräußerungsgewinn von 1494900DM und unterwarf ihn dem ermäßigten Steuersatz gem. §34 Abs.1 EStG. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Im Revisionsverfahren machte K u.a. geltend, §17 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sei verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber keine vertrauensschützende Übergangsregelung geschaffen habe, obwohl er in Dispositionen für bereits abgelaufene Jahre eingreife. Die Rechtsprechung des BVerfG zum dispositionsbezogenen Vertrauensschutz erfordere eine Übergangsregelung, wenn stille Reserven durch die rückwirkende Herabsetzung der Beteiligungsgrenze nachträglich steuerverstrickt würden. Die Sachlage sei mit der des §23 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vergleichbar.

 

Entscheidung

Laut BFH ist die Senkung der Wesentlichkeitsgrenze von 25% auf 10% und die damit verbundene Erfassung in der Vergangenheit gebildeter stiller Reserven jedenfalls dann verfassungsgemäß, wenn die Veräußerung erst nach dem Gesetzesbeschluss im Bundestag am 4.3.1999 vorgenommen wurde.

Den Veräußerungsgewinn hat das Finanzamt zutreffend ermittelt. Auszugehen ist von den historischen Anschaffungskosten der veräußerten Anteile. Der Ansatz des gemeinen Werts im Zeitpunkt der Steuerverstrickung scheidet aus, da der Anschaffungsbegriff des §255 HGB gilt. Danach liegen Anschaffungskosten nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen vor. Wertveränderungen, die in der Zeit fehlender Verstrickung nach §17 EStG eingetreten sind, können dem nicht gleichgestellt werden. Dass der Begriff der (nachträglichen) Anschaffungskosten i.S. von §17 EStG normspezifisch interpretiert wird, steht dem nicht entgegen. Im Übrigen entspricht der Ansatz der historischen Anschaffungskosten dem Willen des Gesetzgebers, der bewusst davon abgesehen hat, die von der Senkung der Wesentlichkeitsschwelle betroffenen Beteiligungen mit ihrem gemeinen Wert zum 1.1.1999 zu bewerten[1].

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die strittige Fassung des §17 EStG hat der BFH nicht. Die Vorschrift verstößt auch nicht deshalb gegen Art.3 Abs.1 GG, weil der für die Besteuerung maßgebliche Schwellenwert auf 10% gesenkt worden ist. Zwar hat der Gesetzgeber die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in §17 Abs.1 EStG davon abhängig gemacht, ob der Anteilseigner zu mehr als 25% am Stammkapital der Kapitalgesellschaft beteiligt war, wobei die Grenzziehung bei mehr als 25% wegen der "Nähe" einer solchen Beteiligung zur Geschäftsführung der Gesellschaft und der mitunternehmerähnlichen Stellung sachlich gerechtfertigt ist. Ob auch eine Beteiligung von 10% wegen der damit verbundenen Rechte noch eine mitunternehmerähnliche Stellung und hinreichende Nähe zur Geschäftsführung vermittelt, so dass die 10%-Grenze noch eine folgerichtige Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands ist, lässt der BFH dahingestellt. Selbst wenn das nicht zutreffe, könne der Umstand, dass das BVerfG die Grenzziehung bei mehr als 25% für verfassungsgemäß gehalten habe, nicht dahin verstanden werden, dass dem Gesetzgeber jede andere Regelung und damit eine Neugestaltung des Ausgangstatbestands verwehrt wäre. Auch wenn der Gesetzgeber am Begriff der "wesentlichen Beteiligung" festgehalten hat, gibt es gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er bezüglich der steuerlichen Erfassung von Wertsteigerungen im Privatvermögen durch das StEntlG 1999/2000/2002 einen Paradigmenwechsel eingeleitet hat. Denn gleichzeitig wurden die Voraussetzungen für die Erfassung von Gewinnen aus der Veräußerung von sonstigen Wirtschaftgütern des Privatvermögens erweitert. Den Weg der breiteren steuerlichen Erfassung von Wertsteigerungen i...

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?