Leitsatz (amtlich)

Wirkt bei einem notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück innerhalb der zweijährigen Spekulationsfrist auf der Käuferseite ein vollmachtloser Vertreter mit und genehmigt der Käufer das Rechtsgeschäft außerhalb der Spekulationsfrist, so ist das private Veräußerungsgeschäft nicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar. Die Genehmigung wirkt steuerrechtlich nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück.

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb am 2.7.1992 eine Eigentumswohnung für 105 000 DM. Mit notariellem Vertrag vom 7.6.1994 veräußerte sie ihre Wohnung für 165 000 DM. Die Erwerber wurden vollmachtlos durch eine Notariatsangestellte vertreten. Sie genehmigten den Vertrag mit notarieller Erklärung vom 8.7.1994. An der Rückwirkung ihrer Genehmigungserklärung waren sie wegen der vereinbarten Übergabe der Wohnung, die erst am 15.7.1994 stattfinden sollte, nicht interessiert. Das Finanzamt unterwarf den entstandenen Gewinn als Spekulationsgewinn der Einkommensteuer. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden[2]. Ob allerdings nur ein zivilrechtlich wirksames Verpflichtungsgeschäft die Fristberechnung beeinflusst, hat die Rechtsprechung bislang noch nicht einheitlich entschieden. Dies gilt auch für die im Streitfall bedeutsame Frage, ob bei einem schwebend unwirksamen - genehmigungsbedürftigen -Rechtsgeschäft auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder auf den Zeitpunkt der (rückwirkenden) Genehmigung abzustellen ist. Der Senat hält die gemäß § 184 Abs. 1 BGB bestimmte Rückwirkung für die Berechnung der Spekulationsfrist für unbeachtlich. Er stellt auf den Zeitpunkt der Genehmigung und nicht auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit ab. Bereits bürgerlich-rechtlich wirkt die Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB nur dann auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Der Rückwirkung liegt damit der Gedanke zugrunde, dass die Geschäftspartner das von der Genehmigung abhängige Vertragsverhältnis regelmäßig in dieser Weise haben vereinbaren wollen. Steht damit die Rechtsfolge zur Disposition der Vertragsparteien, so kann sich eine abweichende Bestimmung aus der Sache ergeben und wie eine aufschiebende Bedingung wirken. Es spricht vieles dafür, eine von der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge abweichende Bestimmung in diesem Sinne bereits dann anzunehmen, wenn die Vertragspartner übereinstimmend und nicht zuletzt aus steuerlichen Erwägungen an einer Rückwirkung der Genehmigung nicht interessiert sind. Es kann aber offen bleiben, ob hier ein derartiger Fall vorliegt. Denn selbst dann, wenn sich die Parteien nicht in einer solchen Weise verständigt haben, tritt die Rückwirkung des § 184 Abs. 1 BGB auch bürgerlich-rechtlich nicht in allen Fällen ein. Durch die Rückwirkung gelten nur die Rechtsfolgen, die gelten würden, wenn das genehmigte Geschäft von Anfang an wirksam gewesen wäre. Diese Fiktion gestaltet aber keinen in die Vergangenheit wirkenden Kausalprozess, denn der Ablauf ist unumkehrbar. Vor der Genehmigung sind vertraglich begründete Ansprüche noch nicht als aktuelle Ansprüche entstanden und können deshalb noch nicht geltend gemacht werden. Mit dieser zivilrechtlichen Betrachtungsweise stimmt es überein, die Rückwirkung des § 184 Abs. 1 BGB steuerrechtlich nicht in die Spekulationsfristberechnung einzubeziehen, so dass diese Frist abgelaufen ist, wenn die Genehmigung erst nach Ablauf von zwei Jahren erteilt wird. Frühestens vom Zeitpunkt der Genehmigung an können tatsächlich und rechtlich alle Folgerungen aus dem bisher schwebend unwirksamen Vertrag gezogen werden. Zur Zeit des notariellen Vertrages liegt noch keine für die Übertragung des Grundstücks notwendige wirksame Willenserklärung des Käufers vor. Unter Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf einen Dritten zu verstehen[3]. Entsprechend dem Normzweck, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen, kann von einer Verwirklichung des Grundstückswerts nur gesprochen werden, wenn jedenfalls beide Vertragserklärungen innerhalb der Spekulationsfrist abgegeben worden sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 2.10.2001 – IX R 45/99

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