Leitsatz

  1. Die Übernahme der Betriebsführung des Eisenbahnverkehrs auf zwei defizitären Teilstrecken als nicht bundeseigene Eisenbahn des öffentlichen Verkehrs von der Deutschen Bundesbahn, verbunden mit einer sog. "Starthilfe" der Deutschen Bundesbahn, kann eine steuerbare Leistung des Übernehmers sein.
  2. Trotz zivilrechtlicher Übereignung kann eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung noch nicht vorliegen, wenn dem neuen Eigentümer die wirtschaftliche Substanz und der Wert des Gegenstands nicht endgültig zustehen und er nur mit Zustimmung des bisherigen Eigentümers über ihn verfügen kann.
 

Sachverhalt

Eine GmbH, die ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen betreibt, übernahm 1993 von der Deutschen Bundesbahn (DB) für mindestens zehn Jahre die Betriebsführung des Personen- und Güterverkehrs auf zwei defizitären Strecken, deren Betrieb bereits praktisch eingestellt war. Die DB verpflichtete sich zur Zahlung einer "Starthilfe" von ca. 16,5 Mio. DM zuzüglich Umsatzsteuer, davon 10,4 Mio. DM für Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur und zum Unterhalt der Strecken sowie 6,1 Mio. DM zur Aufrechterhaltung des Personennahverkehrs. Weiterhin verpflichtete sich die DB zur "unentgeltlichen" Überlassung der für den Betrieb notwendigen Schienenfahrzeuge und veräußerte der GmbH alle an den Strecken gelegenen Grundstücke nebst zugehörigen Anlagen für 1 DM. Bei Einstellung des Eisenbahnbetriebs hatte die GmbH wahlweise die Grundstücke zurückzuübertragen oder eine Entschädigung in Höhe der Verkehrswerte zu leisten.

Die DB zahlte die genannten Beträge zuzüglich Umsatzsteuer, ohne dass die GmbH ihr eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erteilt hatte. Die GmbH berücksichtigte diesen Vorgang in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1993 nicht, weil sie die Zahlungen als "echten Zuschuss" beurteilte. Das Finanzamt nahm hingegen eine steuerpflichtige Leistung gegen die "Starthilfe" der DB und setzte den gemeinen Wert der übertragenen Grundstücke als Entgelt an. Die Klage hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Würdigung des Vorgangs durch das FG, dass die GmbH an die DB mit der "Übernahme der Betriebsführung" eine sonstige Leistung ausgeführt hat. Unerheblich für die umsatzsteuerrechtliche Annahme eines Leistungsaustauschs ist, wer eisenbahnrechtlich zum Betrieb verpflichtet war.

Auch die Schlussfolgerung des FG, die "Starthilfe" sei kein "echter Zuschuss", sondern ein Entgelt für die "Übernahme der Betriebsführung" war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Parteien vertraglich verpflichtet haben, liegt der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert grundsätzlich vor.

Das FG hat aber zu Unrecht angenommen, dass auch der gemeine Wert der an die GmbH übertragenen Grundstücke nach Tauschgrundsätzen in die Bemessungsgrundlage der Gegenleistung der DB für die Leistung der GmbH einzubeziehen sei. Das Entgelt beschränkt sich also auf die "Starthilfezahlung". § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG erfasst auch den Fall, dass als Entgelt für eine Leistung eine Barzahlung mit einer Lieferung verbunden wird, einen sog. tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe. Die DB hat der GmbH die Grundstücke aber nicht geliefert, sondern zivilrechtlich nur auf Zeit übereignet. Die GmbH hatte die Grundstücke nach Einstellung des Betriebs für 1 DM an die DB rückzuübereignen oder den Verkehrswert der Grundstücke zu erstatten. Zur Sicherung dieses Rückübereignungsanspruchs war eine Vormerkung in das Grundbuch einzutragen. Die GmbH konnte nicht wie eine Eigentümerin über die Grundstücke verfügen. Sie durfte die Grundstücke nicht an Dritte veräußern oder mit dinglichen Rechten Dritter belasten, es sei denn, die DB erteilte hierzu vorher ihre Zustimmung. Der Wert der Grundstücke verblieb deshalb zu jeder Zeit bei der DB.

 

Praxishinweis

Von Interesse sind insbesondere die Ausführungen zur Lieferung. Die zivilrechtlich vereinbarte "Übereignung" führt nicht automatisch zur Annahme einer Lieferung, sondern nur, wenn der Überlassungsvorgang die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 UStG erfüllt, also die Verfügungsmacht verschafft. Dies verneinte der BFH aufgrund der gesamten Vorbehalte zugunsten des Grundstückseigentümers DB.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 21.4.2005, V R 11/03

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