Leitsatz
Dem EuGH werden zur Vorabentscheidung folgende Rechtsfragen vorgelegt:
- Sind Art. 59 und 60 EGV dahin gehend auszulegen, dass gegen sie verstoßen wird, wenn ein in Deutschland (Inland) ansässiger Vergütungsschuldner eines im EU-Ausland (konkret: den Niederlanden) ansässigen Vergütungsgläubigers, der die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats besitzt, gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1990 in der im Jahr 1993 geltenden Fassung in Haftung genommen werden kann, weil er den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG unterlassen hat, während Vergütungen an einen im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Vergütungsgläubiger (Inländer) keinem Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 EStG unterliegen und daher auch keine Haftung des Vergütungsschuldners wegen eines unterlassenen oder zu geringen Steuerabzugs in Betracht kommt?
- Ist die Frage zu 1. anders zu beantworten, wenn der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger bei Erbringung seiner Dienstleistung nicht Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist?
- Falls die Frage zu 1. verneint wird:
a) |
Sind die Art. 59 und 60 EGV dahin gehend auszulegen, dass Betriebsausgaben, die einem im EU-Ausland ansässigen Vergütungsgläubiger im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner zu den Vergütungen führenden Tätigkeiten im Inland entstanden sind, vom Vergütungsschuldner bereits im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Abs. 4 EStG steuermindernd berücksichtigt werden müssen, weil auch bei Inländern nur die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Nettoeinkünfte der Einkommensteuer unterliegen? |
b) |
Reicht es zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 59 und 60 EGV aus, wenn im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Abs. 4 EStG nur die mit der zum Vergütungsanspruch führenden Tätigkeit im Inland wirtschaftlich zusammenhängenden Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner nachgewiesen hat, und etwaige weitere Betriebsausgaben in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können? |
c) |
Sind die Art. 59 und 60 EGV dahin gehend auszulegen, dass gegen sie verstoßen wird, wenn die einem in den Niederlanden ansässigen Vergütungsgläubiger nach dem DBA-Niederlande in Deutschland zustehende Steuerbefreiung im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Abs. 4 i.V.m. § 50d Abs. 1 EStG zunächst unberücksichtigt bleibt und erst in einem nachfolgenden Freistellungs- oder Erstattungsverfahren berücksichtigt wird, und auch der Vergütungsschuldner sich im Haftungsverfahren nicht auf die Steuerbefreiung berufen darf, während steuerfreie Einkünfte von Inländern keinem Steuerabzug unterliegen und daher auch keine Haftung wegen eines unterlassenen oder zu geringen Steuerabzugs in Betracht kommt? |
d) |
Hängt die Beantwortung der Fragen zu 3. a) bis c) davon ab, ob der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger im Zeitpunkt der Erbringung seiner Dienstleistung Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist? |
Sachverhalt
Einem deutschen Konzertveranstalter (K) wurde von einer in den Niederlanden ansässigen natürlichen Person (N) eine Musikergruppe zur Verfügung gestellt. Von dem dafür gezahlten Honorar behielt K keine Abzugsteuer ein, obwohl N ihm keine Freistellungsbescheinigung nach § 50d EStG vorgelegt hatte. Das Finanzamt erließ daraufhin gegen K einen Haftungsbescheid.
Entscheidung
Der Haftungsbescheid ist bei isolierter Betrachtung des deutschen Rechts korrekt. Es ist aber fraglich, ob dieses Recht ausländische Leistungsanbieter in einer Weise diskriminiert, die mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist. Denn wenn N im Inland ansässig wäre, bestünde für K keine Verpflichtung zum Steuerabzug. Dadurch können inländische Anbieter gegenüber ausländischen Konkurrenten bevorzugt werden. Ob dies dem Gemeinschaftsrecht widerspricht und ob K sich gegebenenfalls auf eine unzulässige Diskriminierung des N berufen kann, muss der EuGH entscheiden.
Praxishinweis
Die Situation ist in diesem Bereich sehr unübersichtlich. Der EuGH achtet bisher strikt darauf, dass innerhalb der EU jede Benachteiligung grenzüberschreitender Vorgänge gegenüber reinen Inlandsfällen vermieden wird. Das spricht dafür, dass er die deutsche Regelung verwerfen könnte. Aus diesem Grund hat der deutsche Gesetzgeber z.B. bei der Bauabzugsteuer die Rechtslage zu Lasten des Bürgers harmonisiert.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 28.4.2004, I R 39/04