Leitsatz

Geschäftsführungsleistungen eines GmbH-Geschäftsführers können als selbständig i.S. des §2 Abs.2 Nr.1 UStG zu beurteilen sein. Die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers steht dem nicht entgegen (Änderung der Rechtsprechung).

 

Sachverhalt

M, einziger Gesellschafter einer GmbH, deren Tätigkeit auf seinen Erfindungen und Patenten beruht, war für die GmbH als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer zunächst unentgeltlich, ab 1997 als freier Mitarbeiter entgeltlich tätig; er erhielt ein monatliches Pauschalhonorar zuzüglich Umsatzsteuer. Die Geschäftsführertätigkeit konnte er hinsichtlich des zeitlichen Rahmens, in dem er der GmbH zur Verfügung stand, sowie in Bezug auf den Ort und Umfang seiner Tätigkeit nach eigenem Ermessen bestimmen. Er stellte der GmbH die Vergütungen zuzüglich offen ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung; diese machte insoweit für das Streitjahr 1999 den Vorsteuerabzug geltend. Das Finanzamt lehnte den Vorsteuerabzug ab, weil M gegenüber der GmbH weisungsabhängig und deshalb nichtselbständig tätig sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die GmbH stützte ihre Revision u.a. auf das Senatsurteil vom 6.6.2002[1].

 

Entscheidung

Der BFH bejaht grundsätzlich die Möglichkeit der selbständigen Geschäftsführungstätigkeit für die GmbH. Eine solche selbständige Geschäftsführertätigkeit gegen Entgelt ist unternehmerisch. Sie kann nicht wegen der Organstellung für die GmbH als nicht selbständig i.S. des §2 Abs.1 Satz1 UStG oder generell als nicht unternehmerisch behandelt werden. Die frühere "Organwalter-Rechtsprechung" hat der BFH[2] bei Personengesellschaften aufgegeben. Auch im Streitfall hält er daran nicht mehr fest.

Bei Vertretern juristischer Personen ist zwischen der Organstellung und dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Bestellung und Abberufung als Vertretungsorgan sind ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte, durch die gesetzliche und satzungsgemäße Kompetenzen übertragen oder entzogen werden. Dagegen ist die Anstellung zum Zweck des Tätigwerdens als Vertretungsorgan regelmäßig ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag. Ob das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, hängt auch nicht vom Umfang der Vertretungsbefugnisse des Geschäftsführers im Innenverhältnis[3] ab, sondern richtet sich nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung selbständiger von nichtselbständiger Tätigkeit. Die neuere Rechtsprechung des BFH stimmt insoweit mit der des BAG[4] überein.

Für eine selbständige Tätigkeit sprechen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung u.a.

  • das Merkmal des Unternehmerrisikos in der Form des Vergütungsrisikos. Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbständigkeit.
  • die Vereinbarung im Arbeitsvertrag, wonach M an keine Vorschriften der Gesellschaft gebunden war.

Gegen die Beurteilung als selbständig können – wozu hier noch keine Feststellungen vorlagen – sprechen: ein Urlaubsanspruch, der Anspruch auf sonstige Sozialleistungen und die Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, insbesondere bei festen Bezügen.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung ist ein weiterer Baustein zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Geschäftsführertätigkeit als selbständig oder nichtselbständig. Derartige Fälle leiden unter dem Problem, dass die Selbständigkeit bzw. Nichtselbständigkeit nicht nur für das Umsatzsteuerrecht, sondern auch für andere Rechtsgebiete zu beurteilen ist und daran jeweils besondere Rechtsfolgen anknüpfen. Indiz, aber nicht in erster Linie ausschlaggebend kann nach ständiger Rechtsprechung die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbständig oder unselbständig sein.

Die Selbständigkeit natürlicher Personen ist für die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer grundsätzlich nach denselben Grundsätzen zu beurteilen. Eine Bindung an die ertragsteuerrechtliche Beurteilung besteht für das Umsatzsteuerrecht jedoch nicht[5].

Auf Vereinbarungen und deren Durchführung ist zu achten. Die Verwaltung erkennt die unentgeltliche, also nicht steuerbare Geschäftsführung an, wenn ein in der Höhe festgelegtes Entnahmerecht bezogen auf den Gesellschaftsgewinn und im Fall des Verlusts eine Rückzahlung vereinbart wird, soweit die Vergütung bei der Ergebnisermittlung nicht als Aufwand behandelt wird.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 10.3.2005, V R 29/03

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