Leitsatz
- Vermietet eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, der die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt (Studentenwerk), Wohnraum an Bedienstete, die in Studentenwohnheimen tätig sind, um die Unterbringung von Studenten am Hochschulort zu gewährleisten, und liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 23 UStG nicht vor, sind die Vermietungsleistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei.
- Die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen an Nichtstudierende durch ein Studentenwerk ist ein selbständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, wenn sie sich aus tatsächlichen Gründen von den satzungsmäßigen Leistungen abgrenzen lässt. Dieser wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ist kein Zweckbetrieb; dessen Umsätze unterliegen der Besteuerung nach dem Regelsteuersatz.
Sachverhalt
Ein Studentenwerk betrieb Studentenwohnheime. Der Streit mit dem Finanzamt für die Jahre 1993 bis 1996 ging nur noch darüber, ob die Umsätze aus der kurzfristigen Vermietung von Wohn- und Schlafräumen in Studentenwohnheimen an Nichtstudierende, die nicht unter die Befreiung des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG fallen, dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sind.
Entscheidung
Der BFH konnte nicht abschließend entscheiden und verwies die Sache an das FG zurück. Als Befreiungsvorschrift für die Wohnraumüberlassung an Nichtstudierende kam lediglich § 4 Nr. 23 Satz 1 UStG in Betracht, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlagen. Die Beherbergung, Beköstigung usw. von Jugendlichen ist nur dann gemäß § 4 Nr. 23 UStG steuerfrei, wenn den in der Vorschrift genannten Einrichtungen selbst die Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung der aufgenommenen Jugendlichen obliegt. Der BFH ließ offen, inwieweit eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 23 UStG möglich ist. Denn das Studentenwerk könnte sich gegebenenfalls auf die Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. RL berufen und zwar nicht nur, soweit es Wohnraum an Studenten, sondern möglicherweise auch, soweit es an Bedienstete vermietet hat. Die Befreiung betrifft u.a. mit dem Hochschulunterricht eng verbundene Dienstleistungen. Dazu rechnen Vermietungsleistungen an Studenten von Studentenwerken, denen als Anstalt des öffentlichen Rechts im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt. Die Befreiung umfasst auch Vermietungsleistungen an Bedienstete, die in Studentenwohnheimen tätig sind, um die Unterbringung von Studenten am Hochschulort zu gewährleisten, denn andernfalls erhöhten sich dadurch die Kosten eines Hochschulstudiums. Der bisher vom FG festgestellte Sachverhalt erlaubte keine abschließende Beurteilung, denn es fehlen insbesondere Feststellungen zur Tätigkeit der "Bediensteten".
Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG kam für die Vermietungsleistungen an "Nichtstudierende" nicht in Betracht. Sie gilt für Umsätze von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, sofern sie nicht im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Die Vermietung an Nichtstudierende war nach den Feststellungen des FG jedoch ein selbständig zu beurteilender wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.
Praxishinweis
Der Fall zeigt, dass die 6. EU-Richtlinie im Bereich der Umsatzsteuerbefreiungen für Ausbildung und damit eng verbundene Leistungen weiter geht als das deutsche Umsatzsteuerrecht, dass hier noch Umsetzungsmängel bestehen und dass betroffene Einrichtungen sich insoweit auf die Richtlinie berufen können. Den Einrichtungen ist die Beschäftigung mit den Richtlinienbestimmung anzuraten.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 19.5.2005, V R 32/03