Leitsatz

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt.

 

Sachverhalt

Eine GmbH lieferte gebrauchte Pkw nach Portugal und erklärte in den Streitjahren 2002 und 2003 steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Laut Steuerfahndung hatte die GmbH ihre Nachweispflichten nicht erfüllt, sondern für ihre Buchhaltung Rechnungen auf portugiesische Scheinerwerber ausgestellt. Die Steuerfahndung ermittelte die tatsächlichen Abnehmer – überwiegend Händler – und stellte fest, dass die GmbH diesen Rechnungen auf den Namen des jeweiligen Privatabnehmers mit Zusatz "Diff.-Besteuerung nach § 25a UStG" ausgestellt hatte, um die Identität der tatsächlichen Erwerber in Portugal zu verschleiern und die Erwerbsbesteuerung zu verhindern. Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit. Die GmbH legte Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung, die vom FG und BFH gewährt wurde, weil die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zweifelhaft ist.

 

Entscheidung

Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt u.a. dann vor, wenn der Unternehmer oder Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet, der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Diese Voraussetzungen muss der Unternehmer nachweisen.

Laut EuGH sind die Nachweise keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung; trotz Nichterfüllung kann die Steuerbefreiung zu gewähren sein, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllt sind und das Steueraufkommens nicht gefährdet ist. Die Nichterhebung der Umsatzsteuer auf eine innergemeinschaftliche Lieferung kann nicht als Gefährdung des Steueraufkommens angesehen werden, weil solche Einnahmen dem Mitgliedstaat zustehen, in dem der Endverbrauch erfolgt.

Danach ist ernstlich zweifelhaft, ob die Steuerbefreiung zu versagen ist. Einerseits steht fest, an welche Händler die Pkw tatsächlich geliefert wurden. Diese Lieferungen unterliegen in Portugal der Erwerbsbesteuerung, sodass die objektiven Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen und das Steueraufkommen Deutschlands nicht gefährdet ist. Andererseits ist noch offen, ob die Steuerbefreiung selbst dann zu gewähren ist, wenn der inländische Lieferer daran mitwirkt, die Erwerbsbesteuerung durch seinen Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat zu vermeiden. Nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 29.07.2009, XI B 24/09BFH, Urteil v. 29.7.2009, XI B 24/08.

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