Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Werden zur Insolvenztabelle angemeldete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ohne Widerspruch in die Tabelle eingetragen, kommt der Eintragung dieselbe Wirkung wie der beim Bestreiten vorzunehmenden Feststellung nach § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zu und kann wie diese unter den Voraussetzungen des § 130 AO geändert werden.
Sachverhalt
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die betroffene Firma im August 2006 meldete das Finanzamt eine Insolvenzforderung für Umsatzsteuer Juni bis August 2006 an. Die Forderungsanmeldung wurde vom Insolvenzverwalter "zur Tabelle anerkannt" und in die Tabelle als festgestellt eingetragen. Ein Jahr später ging beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung für den o.g. Zeitraum mit einer geringeren Steuerschuld ein. Das Finanzamt behandelte diese als Antrag auf Änderung des Tabelleneintrags und lehnte diesen Antrag ab.
Zur Insolvenztabelle sind nur Insolvenzforderungen (nicht Masseverbindlichkeiten) anzumelden. Wegen des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Eröffnung des Verfahrens aus mehreren Unternehmensteilen; zwischen diesen sind einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechenbar. Zu unterscheiden sind der
- vorinsolvenzrechtliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden sind (§§ 174 ff. InsO),
- die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den Masseverbindlichkeiten geltend zu machen sind, sowie ggf.
- das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen mit persönlicher unbeschränkter Inanspruchnahme des Insolvenzschuldner.
Grundlage für die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren ist im Jahr der Insolvenzeröffnung die anzumeldende Steuer für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung. Werden zur Insolvenztabelle angemeldete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ohne Widerspruch in die Tabelle eingetragen, kommt der Eintragung dieselbe Wirkung wie der beim Bestreiten vorzunehmenden Feststellung gem. § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO. Deshalb kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt (auch nach Unanfechtbarkeit) nach § 130 AO geändert werden bzw. ganz oder teils mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Hinweis
Das Finanzamt hat die für Januar bis August eingereichte nachträglich Umsatzsteuererklärung als Antrag auf Änderung des Tabelleneintrags zu Unrecht abgelehnt. Nach dem BFH-Urteil muss das Finanzamt das ihm zustehende Ermessen nach Maßgabe des § 130 Abs. 1 AO erstmals auszuüben und den Kläger unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bescheiden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 24.11.2011, V R 13/11.