Leitsatz
Werden Einkommensteuer-Vorauszahlungen für zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute geleistet, kann aus der Sicht des Finanzamts als Zahlungsempfänger mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen aufgrund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft angenommen werden, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen will. In diesem Fall sind bei einer Überzahlung beide Ehegatten erstattungsberechtigt. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen hälftig aufzuteilen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Sachverhalt
Einer der zusammenveranlagten Ehegatten hatte Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu leisten, der andere mangels nennenswerter Einkünfte nicht; er hatte aber hohe Steuerschulden aus vorehelicher Zeit. Bei der Veranlagung der Eheleute ergab sich ein Erstattungsbetrag, den das Finanzamt beiden je zur Hälfte zuordnete und bei dem einen mit dessen Steuerschulden verrechnete. Gegen den darüber ergangenen Abrechnungsbescheid wandten sich die Eheleute.
Entscheidung
Erstattungsberechtigt ist nach § 37 Abs. 2 AO derjenige, auf dessen Rechnung die zu erstattende Zahlung bewirkt worden ist. Zahlt ein Gesamtschuldner, steht ihm gegebenenfalls auch der Erstattungsanspruch zu, unbeschadet dessen, dass er mit seiner Zahlung auch die Schuld der anderen getilgt hat. Anders bei zusammenveranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuern! Nach ständiger, auch gegen den Widerspruch einiger FG bekräftigter Rechtsprechung des BFH steht ein Erstattungsanspruch den Eheleuten je zur Hälfte zu, wenn dem Finanzamt bei der Zahlung kein entgegenstehender Wille bekundet worden ist und das Finanzamt keinen Anhaltspunkt dafür hat, dass die Ehe nicht mehr besteht oder nicht mehr "intakt" ist oder dass die Eheleute dauernd getrennt leben, was nach § 26 Abs. 1 EStG die Zusammenveranlagung ausschlösse. Diese vom Schrifttum widerspruchslos hingenommene Rechtsprechung hat der BFH jetzt erneut bestätigt.
Praxishinweis
Ein Erstattungsanspruch steht zweifellos nicht dem zu, der gezahlt hat, sondern dem, auf dessen "Rechnung", d.h. auf dessen Steuerschuld, eine Zahlung erbracht worden ist. Wegen der wechselseitigen Tilgungswirkung der Zahlungen von Gesamtschuldnern ist die Ermittlung des Erstattungsberechtigten aber naturgemäß zweifelhaft. Das Institut der Zusammenveranlagung betrifft die Steuerberechnung, nicht das Steuerschuldrecht, es beantwortet daher nicht die Frage, auf wessen Rechnung ein Ehepartner zahlt, wenn die Eheleute bisher Zusammenveranlagung gewählt haben. Wer sicher gehen will, dass ihm eine etwaige Erstattung allein zugute kommt, sollte deshalb die vom BFH aufgestellte "Vermutung" seines doppelten Tilgungswillens zerstören, indem er bei der Zahlung ausdrücklich bekundet, nur auf seine eigene (Gesamt-)Schuld leisten zu wollen. Ob dies auch bei Zahlungen von einem gemeinschaftlichen Konto der Eheleute bewirkt, dass der Anweisungsaussteller eine spätere Erstattung allein beanspruchen kann, ist noch nicht entschieden und nicht zweifelsfrei.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 15.11.2005, VII R 16/05