Leitsatz
Führt ein Dipl.-Oecotrophologe (Ernährungsberater) im Rahmen einer medizinischen Behandlung (aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme) Ernährungsberatungen durch, sind diese Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit.
Sachverhalt
Ein selbständiger Dipl.-Oecotrophologe führte im Streitjahr 1997 ausweislich eines "Ernährungsberatungsvertrags" mit einer IKK Ernährungsberatungen im Rahmen von Gruppen- und Einzelkursen mit Personen durch, die ihm durch ärztliche Verordnung oder den Medizinischen Dienst der Krankenkassen aufgrund sozialmedizinischer Begutachtung zugewiesen worden waren. Seine Aufgabe bestand darin, aufgrund des diagnostizierten Krankheitsbildes eine geeignete Ernährungstherapie zu planen und an deren Durchführung mitzuwirken. Der Kläger erhielt seine Honorare unmittelbar von den von ihm beratenen Personen, die insoweit nach sozialrechtlichen Regelungen teilweise einen Anspruch auf Erstattung gegenüber den Krankenkassen geltend machen konnten. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Umsätze des Klägers unterlägen der Umsatzsteuer, weil die Ernährungsberatung keine i.S. von § 4 Nr. 14 UStG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnliche heilberufliche Tätigkeit sei. Es rechnete die Umsatzsteuer demgemäß aus den Rechnungsbeträgen heraus und erfasste sie unter Berücksichtigung geltend gemachter Vorsteuerbeträge. Das FG gab der Klage statt, da der Beruf des Dipl.-Oecotrophologen in wesentlichen Punkten dem eines praktischen Arztes und eines Heilpraktikers entspreche. Das Finanzamt stützte seine Revision im Wesentlichen auf das BMF-Schreiben vom 17.4.20001.
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache zwar zur Feststellung des Umfangs der als Heilbehandlung durchgeführten Tätigkeit an das FG zurück. Er gab dem Kläger aber weitgehend Recht.
Der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steht nicht entgegen, dass der Ernährungsberater seine Leistungen nicht selbst gegenüber den Patienten, sondern als Subunternehmer gegenüber der Krankenkasse oder einer Versorgungs- oder Rehabilitationseinrichtung ausgeführt und abgerechnet hat.
Die Voraussetzung des sog. beruflichen Befähigungsnachweises erfüllte der Kläger. Dieser hängt nicht ausschließlich von einer – für Dipl.-Oecotrophologen nicht existierenden – heilberufsrechtlichen Regelung und deren Erfüllung ab; er konnte im Streitfall dem Ausbildungsgang entnommen werden. Ferner erfüllt die Ernährungsberatung (Diättherapie) die Voraussetzungen einer Heilbehandlung und dient nicht der Befriedigung alltäglicher Lebensbedürfnisse, soweit der Bereich der Krankenbehandlung betroffen ist. Die Steuerbefreiung kommt deshalb nur für Ernährungsberatungen in Betracht, welche aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wurden. Deren Umfang hat das FG noch festzustellen. Ob z.B. eine Gutachtertätigkeit des Klägers im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen als Heilbehandlung beurteilt werden kann, richtet sich nach dem Gegenstand des Gutachtens, d.h. danach, ob es im unmittelbaren Zusammenhang mit einer heilberuflichen Behandlung steht. Dies ist etwa der Fall, wenn Gutachten den nach § 275 SGB V dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen obliegenden Prüfungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Behandlungs- oder Rehabilitationsmaßnahmen oder der Durchführung medizinischer Vorsorgeleistungen dienten.
Leistungen, die nicht aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsbehandlung durchgeführt werden, wie die Leistungen des Klägers als Ernährungsberater auf Messen, Gesundheitstagen und Tagen der offenen Tür, sind nicht nach § 4 Nr. 14 UStG befreit.
Praxishinweis
Die Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen von Ernährungsberatern hängt in der Praxis wohl weniger von der Voraussetzung des beruflichen Befähigungsnachweises als vielmehr davon ab, ob die Ernährungsberatung als "Heiltätigkeit", d.h. als Tätigkeit, die der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen dient, ausgeführt wird. Das Kriterium des Besprechungsurteils, dass Ernährungsberatung aufgrund ärztlicher Anordnung bzw. im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsbehandlung einer Heilbehandlung dient, ist naheliegend. Damit wird eine Abgrenzung gegenüber dem Bereich der allgemeinen Lebensbedürfnisse (Wellness) versucht. Dass die ärztliche Anordnung nicht das ausschließliche Kriterium sein kann, zeigt das Urteil mit der Begünstigung der Leistungen, die aufgrund einer Vorsorge- oder Rehabilitationsbehandlung ausgeführt werden. Offen blieb, ob Ernährungsberatung auch ohne ärztliche Anordnung steuerbefreit sein kann.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 10.3.2005, V R 54/04