Leitsatz
- Die Personalgestellung durch ein Krankenhaus an eine Arztpraxis kann ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener, nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1993 steuerfreier Umsatz sein, z.B. wenn das Krankenhaus medizinische Großgeräte der Arztpraxis durch eigenes Personal nutzen darf und im Gegenzug sein Personal zur Bedienung der Geräte auch für die Nutzung durch die Arztpraxis gegen Kostenerstattung überlässt.
- Ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener Umsatz kann danach ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn die Arztpraxis nicht nur die Krankenhauspatienten, sondern auch andere Patienten versorgt. Ob ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, kann nur unter Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 18.1.2005, V R 35/02, BStBl II 2005, S. 507).
Sachverhalt
Ein Krankenhaus, das die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 AO erfüllt, überließ Räume, Personal und Geräte seiner Abteilung für Röntgendiagnostik und -therapie einer ebenfalls auf diesem Gebiet tätigen privaten Gemeinschaftspraxis zur ambulanten Behandlung ihrer Patienten. Die Gemeinschaftspraxis hatte einen Computer- (CT) und einen Kernspintomographen (MR) in Absprache mit dem Krankenhaus angeschafft. Für die Bedienung dieser Geräte setzte das Krankenhaus sein Personal ein und stellte die Kosten der Gemeinschaftspraxis in Rechnung. Die Gemeinschaftspraxis hatte in den Streitjahren kein eigenes Personal.
Das Finanzamt erfasste die Umsätze aus der Personalgestellung des Krankenhauses mit dem allgemeinen Steuersatz. Dessen Klage hatte Erfolg. Das FG kam zum Ergebnis, die Überlassung von medizinisch-technischen Hilfskräften durch das Krankenhaus an die Gemeinschaftspraxis zur Bedienung des CT und des MR, die im Eigentum der Gemeinschaftspraxis standen, sei als Dienstleistung zu beurteilen, die mit der Krankenhausbehandlung eng verbunden ist und daher unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG fällt. Ein unmittelbarer Wettbewerb mit anderen Personalgestellungs-Unternehmen, die steuerpflichtige Umsätze ausführten, habe nicht vorgelegen. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Die Personalgestellung durch ein Krankenhaus an eine Arztpraxis kann ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener Umsatz sein, wenn sie für die ärztliche Versorgung der Krankenhauspatienten unerlässlich ist. Ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener Umsatz kann in Ausnahmefällen sogar dann vorliegen, wenn die Arztpraxis nicht nur die Krankenhauspatienten, sondern auch andere Patienten versorgt. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, kann nur anhand aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Die Würdigung durch das FG, dass die Personalgestellung für die umfassende radiologische Behandlung der Krankenhauspatienten unerlässlich war, weil anders eine Nutzung von CT und MR für die Krankenhauspatienten nicht möglich gewesen wäre, war revisonsrechtlich nicht zu beanstanden.
Steuerbefreiungsvorschriften sind zwar grundsätzlich eng auszulegen. Nach der EuGH-Rechtsprechung verlangt jedoch der Begriff der mit der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie keine besonders enge Auslegung; denn die Befreiung der eng mit der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung verbundenen Umsätze soll gewährleisten, dass der Zugang zu solchen Behandlungen nicht durch höhere Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn die Behandlungen selbst oder die eng mit ihnen verbundenen Umsätze der Umsatzsteuer unterlägen. Es muss sich dabei um Leistungen handeln, die sich auf die Kosten der medizinischen Behandlungen auswirken, wie dies hier der Fall ist.
Praxishinweis
Der BFH hat bereits Umsätze aus der Personalgestellung durch Krankenhäuser als mit Krankenhausumsätzen eng verbunden angesehen und damit die Anwendung von § 4 Nr. 16 UStG im Ausnahmefall bejaht. Das neue Urteil bringt weitere Grundsätze zur Abgrenzung der Ausnahmen, die von der Finanzverwaltung bei der Anwendung des Abschn. 100 Abs. 1 UStR zu beachten sind.
Das Finanzamt war der Meinung, es lägen keine mit Krankenhausleistungen eng verbundenen Umsätze i.S. des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG vor, weil diese Leistungen nicht an Patienten, sondern an einen anderen medizinischen Betrieb erbracht würden. Die Regelung verlangt aber keine Identität der Leistungsempfänger. Mit dem Finanzamt ist zwar bei der Beurteilung, ob eine Ausnahme i.S. des Abschn. 100 Abs. 1 Satz 1 UStR vorliegt, davon auszugehen, dass das bloße Verschaffen zusätzlicher Einnahmen – im Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer – nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG unterfällt. Allerdings treten solche Folgen gegebenenfalls – wie im Streitfall – hinter Organisationszwänge zurück.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 25.1.2006, V R 46/04