Leitsatz
Eine Schadenersatzrente nach § 844 Abs. 2 BGB, die den durch den Tod des Ehegatten eingetretenen materiellen Unterhaltsschaden ausgleicht, unterliegt nicht der Einkommensteuerpflicht nach § 22 Nr. 1 EStG.
Sachverhalt
Der Ehemann der K verstarb an den Folgen eines ärztlichen Fehlers. Dessen Versicherung zahlte K ab dem Todestag eine monatliche Schadenersatzrente nach § 844 Abs. 2 BGB. Hiervon entfielen zwei Drittel auf den Unterhaltsschaden und ein Drittel auf den Haushaltsführungsschaden. Das Finanzamt sah die Rente zunächst in voller Höhe, später nur noch in Höhe des Unterhaltsschadens als steuerpflichtig nach § 22 Nr. 1 EStG an. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Die Revision des Finanzamts wurde zurückgewiesen.
Hinweis
Der BFH hat seine langjährige Rechtsprechung fortentwickelt, indem er auch in Schadenersatzrenten, die gem. § 844 Abs. 2 BGB für den Verlust von Unterhaltsansprüchen gewährt werden, keine steuerbaren Einkünfte sieht. Damit weicht er von der Ansicht der Finanzverwaltung ab.
Es ist grundsätzlich anerkannt, dass wiederkehrende Leistungen nur zu besteuern sind, wenn
- die Leistungen andere steuerbare Einnahmen ersetzen,
- das Korrespondenzprinzip unabhängig von einem allgemeinen Prinzips gilt,
- die Zahlungen einen Zinsanteil enthalten.
Eine Steuerbarkeit wegen der äußeren Form existiert nicht. Ist eine Leistung als Einmalzahlung nicht steuerbar, wird sie es nicht dadurch, dass sie zeitlich gestreckt erbracht wird.
Wendet man diese Erkenntnisse hier an, bedeutet das:
- Nach § 844 Abs. 2 BGB ist derjenige anspruchberechtigt, dem der Getötete gesetzlichen Unterhalt schulden würde. Diese Unterhaltsrente ist ihrer Rechtsnatur nach kein Unterhalt, sondern Schadenersatz. Sie gleicht keine steuerbaren Einnahmen, sondern den vom Getöteten geschuldeten fiktiven Unterhalt aus. Dies führt zur Nichtsteuerbarkeit der Unterhaltsrente; nach § 22 Nr. 1 EStG sind "Bezüge … an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person" i.d.R. nicht steuerpflichtig.
- Auch das Korrespondenzprinzip gebietet nicht die Steuerbarkeit einer Unterhaltsrente; dem EStG lässt sich die generelle Geltung dieses Prinzips für wiederkehrende Bezüge nicht entnehmen. Die Abziehbarkeit beim Leistenden und die Besteuerung beim Empfänger sind zwei voneinander unabhängige Vorgänge. Schadenersatzleistungen sind beim Verpflichteten abziehbar, wenn sie betrieblich oder beruflich veranlasst sind. Ob der Empfänger die Leistungen versteuern muss, ist unerheblich.
Die einzelnen Rentenleistungen enthalten keinen steuerpflichtigen Zinsanteil. Ansprüche auf Unterhalt entstehen von Gesetzes wegen sukzessiv. Nur ausnahmsweise kann der Unterhaltsberechtigte vom Schädiger eine Abfindung in Kapital verlangen. Daher ähnelt die Schadenersatzrente nicht der darlehensweisen Überlassung von Kapital.
Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf dieses Urteil reagieren wird.
Link zur Entscheidung
BFH, 26.11.2008, X R 31/07