Leitsatz

  1. Veranstalter von Glücksspielen können sich unmittelbar auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1980 keine Anwendung findet (Anschluss an EuGH-Urteil vom 17.2.2005, Rs. C-453/02 (Edith Linneweber) und Rs. C-462/02 (Savvas Akriditis), BFH/NV Beilage 2005, S. 94; BFH-Urteile vom 12.5.2005, V R 7/02, BStBl II 2005, S. 617 = INF 2005, S. 731; vom 19.5.2005, V R 50/01, BFH/NV 2005, S. 1881). Dies gilt für Glücksspiele aller Art, auch wenn sie unerlaubt betrieben werden.
  2. Die Spielumsätze sind grundsätzlich dem Inhaber der Spielkasinokonzession zuzurechnen. Fungiert dieser als "Strohmann" für einen Dritten ("Hintermann"), liegt ein Kommissionsgeschäft nach § 3 Abs. 11 UStG 1980 vor mit der Folge, dass sowohl die besorgte Leistung (die Umsätze des Konzessionsinhabers an die Spieler) als auch die Besorgungsleistung (die – fingierten – Umsätze des "Hintermanns" an den Konzessionsinhaber) als steuerfrei behandelt werden können.
 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb im Streitjahr 1990 in einem Spielkasino die Glücksspiele "Roulette" und "Black Jack", die dort nicht zugelassen waren. Inhaber der Spielkasinokonzession war ein Dritter (D). Das Finanzamt behandelte den Kläger als "Inhaber bzw. wirtschaftlichen Betreiber" und setzte die Umsatzsteuer 1990 gegen ihn fest. Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger geltend, dass

  • er niemals Inhaber bzw. wirtschaftlicher Betreiber des Spielkasinos gewesen sei und
  • die Umsätze, selbst wenn man ihm diese zurechne, nach der EuGH-Rechtsprechung steuerbefreit seien.

Die Klage hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Die Revision des Finanzamts war unbegründet. Es konnte dahingestellt bleiben, ob die vom Finanzamt besteuerten Spielumsätze dem Kläger oder dem Konzessionsinhaber zuzurechnen waren. In jedem Fall kann sich der Kläger auf die Steuerfreiheit der Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie berufen.

Zwar ist bei konzessionsgebundenen Geschäften grundsätzlich der Konzessionsinhaber als leistender Unternehmer anzusehen. Er ist in aller Regel der zivilrechtliche Vertragspartner seiner Kunden. Selbst wenn die Spielumsätze ausnahmsweise unmittelbar dem konzessionslosen Kläger zuzurechnen sein sollten, sind sie vom FG zu Recht als steuerfrei behandelt worden. Zwar greift nicht § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1980 ein, weil die Umsätze nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen und der Kläger keine öffentliche Spielbank betrieb. Nach dem EuGH-Urteil vom 17.2.2005[1] kann sich der Kläger jedoch auf die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie berufen.

Sind die Spielumsätze – entsprechend der jetzigen Ansicht des Finanzamts – unmittelbar dem Konzessionsinhaber zuzurechnen, greift § 3 Abs. 11 UStG 1980 ein. Die Vorschrift über die Leistungskommission erfasst auch den sog. Leistungsverkauf, d.h. auch Geschäftsbesorgungen, bei denen der Geschäftsbesorger für Rechnung seines Auftraggebers Leistungen ausführt.

D hat die Spielumsätze dann zwar im eigenen Namen, aber im Auftrag des Klägers für dessen Rechnung ausgeführt. Der Konzessionsinhaber D ist so zu behandeln, als ob er seine Umsätze an die Spieler von dem Kläger erhalten hätte, als ob also der Kläger an D Spielumsätze ausgeführt hätte. Da die Umsätze des D an die Spieler steuerfrei sind, gilt dasselbe für die fingierten Umsätze des Klägers an D.

 

Praxishinweis

Wenn schon die nicht erlaubten Glücksspiele wie die erlaubten Spiele steuerfrei sind, kann auch bei "Vorschaltung" eines Konzessionsinhabers durch den nicht konzessionierten Ganoven nichts anderes gelten. Das "non olet" der Steuerfreiheit des Glücksspiels muss auch insoweit beachtet werden. Dass auch die in Deutschland lange verschmähte Regelung der Leistungskommission ein wichtiger Systembaustein für die Steuerneutralität ist, zeigt sich auch bei Gestaltungen der vorliegenden Art.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 22.9.2005, V R 52/01

[1] Vgl. EuGH-Urteil vom 17.2.2005, Rs. C 453/02 (Edith Linneweber) und Rs. C 462/02 (Savvas Akritidis), BFH/NV Beilage 2005, S. 94

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