Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Bei einem Reihengeschäft mit 2 Lieferungen und 3 Beteiligten ist die erste Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung auch dann gem. § 6a UStG steuerfrei, wenn der erste Abnehmer einem Beauftragten eine Vollmacht zur Abholung und Beförderung des gelieferten Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet erteilt, die Kosten für die Beförderung aber vom zweiten Abnehmer getragen werden.
Sachverhalt
Der Pkw-Händler veräußerte einen Pkw an das in Spanien ansässige Unternehmen K, deren USt-IdNr. vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) qualifiziert bestätigt wurde. Der von K legitimierte abholende französische Fahrer Y bestätigte den Empfang des Pkw und dessen (geplante) Beförderung nach Spanien. Laut der spanischen Finanzverwaltung wurde der Pkw-Transport aber – anstatt von K – durch deren in Frankreich ansässigen Kunden (X) veranlasst und der Pkw direkt nach Frankreich verbracht. Wegen der Veranlassung der – für die Steuerbefreiung nach § 6a UStG erforderlichen – Warenbewegung durch den letzten Unternehmer in der Reihe (X) behandelte das Finanzamt die erste ggf. "ruhende" Lieferung in der Reihe der Steuerpflichtigen als nicht steuerfrei nach § 6a UStG.
Nach Auffassung des BFH ist die Lieferung steuerfrei nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG. Wird der in das übrige Gemeinschaftsgebiet beförderte oder versendete Gegenstand – wie im Urteilsfall – im Rahmen eines Reihengeschäfts geliefert, ist nur die Lieferung steuerfrei, der die"Warenbewegung" zuzuordnen ist. Dies war im Urteilsfall die Lieferung der Steuerpflichtigen an K, da
- K als erster Abnehmer gegenüber der Klägerin die "Beförderung" des gelieferten Pkw nach Spanien (also in das übrige Gemeinschaftsgebiet) erklärte,
- K unter seiner spanischen USt-Id-Nr. handelte, und ein von K Beauftragter den Pkw zur Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet abholte.
Eine evtl. Tragung der Versendungskosten durch den letzten Unternehmer (X) ist im Hinblick auf die von K für den Abholer Y erteilte Vollmacht unerheblich.
Im Übrigen können nach Auffassung des BFH auch sog. ruhende Lieferungen unter die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG fallen.
Hinweis
Teilt der Ersterwerber (hier K) dem ersten Lieferer (hier: dem Steuerpflichtigen) bereits vor der Warenbewegung den Weiterverkauf des Pkw an einen Zweiterwerber mit, wird die Warenbewegung und damit die Steuerfreiheit nach § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung der Steuerpflichtigen zugeordnet (EuGH, Urteil v. 16.12.2010, Rs. C-430/09, Rdnr. 36). Letztlich hat damit der "Ersterwerber" (mittlerer Unternehmer) die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Warenbewegung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen. Ergibt sich aus Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE, dass die erste Lieferung im Reihengeschäft allein aufgrund der Einbeziehung des zweiten Abnehmers in die Beförderung nicht steuerfrei sein kann, ist dies mit dem EuGH-Urteil nicht vereinbar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 11.8.2011, V R 3/10.